Mauer, Jeans und Prager Frühling
Staatsgrenze ebenso gegen Schriftsteller gehetzt. Auch dort benahmen sie sich nicht so, wie sich das Politiker wünschten. Während Walter Ulbricht in Deutschland-Ost gegen die Schriftsteller wetterte, zog Ludwig Erhard in Deutschland-West gegen sie zu Felde. Auf dem Wirtschaftstag von CDU und CSU spottete er, daß die Dichter neuerdings »unter die Sozialpolitiker und die Sozialkritiker gegangensind«. Ihm schien, daß sie über Dinge redeten, die sie nicht verstanden, und nannte sie gar »Banausen«, »Nichtskönner« und »Pinscher«.
So sah er also Böll, Grass, Hochhuth und Kollegen!
Ulbricht wird es süffisant zur Kenntnis genommen haben, vielleicht mit einem »Sehd ihr, die haben da drüben auch Brohbleme mit diesen Brüdern, ja?!«.
Im Osten kritisierten und drangsalierten die SED-Funktionäre vor allem Heym, Biermann und Havemann. Robert Havemann, Professor für physikalische Chemie an der Humboldt-Universität, verlor 1964 seinen Lehrstuhl. Neben Vorlesungen zum Fach hielt er auch welche über Freiheit und dialektischen Materialismus. In diesen Lehrveranstaltungen trat er für mehr Information in der DDR ein, wandte sich gegen Dogmatismus und Stalinismus in der Republik. Und immer waren bei ihm die Hörsäle überfüllt.
Wolf Biermann haßten die Funktionäre, vor allem seine balladesken, gesellschaftskritischen und oftmals polemischen Gedichte und Lieder. Er war schon 1963 aus der SED ausgeschlossen worden.
Ich hatte ihn in Zwickau im Kulturhaus Sachsenring erlebt. Sein Auftritt war natürlich die reinste Provokation für die Genossen.
»… Setzt eurem Werk ein gutes Ende
Indem ihr uns
Den neuen Anfang laßt!« Die Parteioberen dachten überhaupt nicht daran! Erich Honecker empörte sich: »In einem Gedichtband, der im Westberliner Wagenbach-Verlag erschien, hat Biermann die Maske fallen lassen. Im Namen eines schlechtgetarnten spießbürgerlich-anarchistischen Sozialismus richtet er scharfe Angriffe gegen unsere Gesellschaftsordnung und unsere Partei. Mit seinen von gegnerischen Positionen geschriebenen zynischen Versen verrät Biermann nicht nur den Staat, der ihm eine hochqualifizierte Ausbildung ermöglichte,sondern auch Leben und Tod seines von den Faschisten ermordeten Vaters.«
Die absurdeste Verknüpfung: Was hat der Tod seines jüdischen Vaters im nazistischen KZ mit Biermanns Kritik an der DDR zu tun? Überall wurden »unsere Menschen« auf Linie gebracht.
Auch ich erlebte das in Leipzig. »Keine Toleranz gegenüber ideologischer Koexistenz.« Zu diesem Thema sprach Klaus Höpcke, damals Kulturredakteur im »Neuen Deutschland«, zu den Studenten der Buchhandels- bzw. Bibliothekarsschule. Ich erinnere mich, daß ihm die Masse nicht lammfromm lauschte, sondern daß sich während seines Vortrags nicht zu überhörendes Unmutsgemurmel breitmachte.
In der Endphase der DDR kollidierte Höpcke sogar noch einmal mit seinem Staat. Das hätte man ihm gar nicht zugetraut. Oder sah er einfach nur die Zeichen an der Wand …?
1 Die Straßenbahnen fuhren noch durch die Schillerstraße.
2 club-band
3 Kfz-Band
4 The Playboys
5 Das Gartencafé vom »Corso«
6 Café Corso, früher Kaffee und Konditorei Hennersdorf
7 Der geliebte Treffpunkt im ersten Stockwerk
8/9 Interieur des Café Corso
10 Blick auf die Ruine des Städtischen Kaufhauses. Das Gebäude rechts daneben beherbergte das »Corso«. Im Vordergrund links ein Teil der Universitätskirche
11 Der »Schwalbennest«-Wirt Hardy Canitz
12 Altmagnifizenz Mayer-Schorsch
13 Peter Sodann und Ernst Röhl vom »Rat der Spötter«
14 Das Kabarett Pfeffermühle zur Premiere seines Programms am 20.12.1967; von links nach rechts: Erika Solbrig, Hanskarl Hoerning, Ursula Schmitter, Manfred Stephan, Siegfried Mahler
15 Die »academixer«, von links nach rechts: Bernd-Lutz Lange, Gunter Böhnke, Christian Becher, Jürgen Hart
16 The Butlers auf dem Dach eines Hauses im Leipziger Osten; von links nach rechts: Bernd Reiher, Klaus Jentzsch-Renft, Hans-Dieter Schmidt, Jochen Richter (sitzend)
17 Deutrichs Hof in der Reichsstraße, das Haus grenzte an das heutige Café Riquet.
18 Internationales Imbiß-Niveau
19 Eigenwillige Architektur am Martin-Luther-Ring, gegenüber dem Neuen Rathaus. Im Hintergrund die heutige Stadtbibliothek; rechts im Bild eine der penetranten Lautsprechersäulen des Stadtfunks.
20/21 Das alte Gewandhaus im Musikviertel zwischen Beethoven- und Mozartstraße
22 Die gefürchtete Trümmerkugel in Aktion
23 Gebäude am
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