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Mauer, Jeans und Prager Frühling

Mauer, Jeans und Prager Frühling

Titel: Mauer, Jeans und Prager Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd-Lutz Lange
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Bundespräsident … und und und … Die Proteste von draußen hielten sich in Grenzen. Ulbricht sorgte dafür, daß seine Heimatstadt eines dominanten Kleinods beraubt wurde. Und er hatte in dieser Stadt einen treuen Vasallen, einen bedingungslosen Vollstrecker, einen kleinen Leipziger Stalin: Paul Fröhlich. Er war Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees der SED, 1. Sekretär der Bezirksleitung Leipzig und Volkskammerabgeordneter.
    Er hatte also viele Möglichkeiten, um Unheil zu stiften. Und das tat er nach Kräften.
    Fröhlich stammte aus meiner Heimatstadt Zwickau. Ein Bergarbeitersohn aus Planitz.
    Hans Mayer schreibt in seinem Buch »Der Turm zu Babel«: »Wie war es möglich, daß ein Mann namens Paul Fröhlich nicht nur allmächtiger Bezirksleiter der SED in einer Stadt wie Leipzig werden konnte, sondern auch ordentliches Mitglied in Ulbrichts Politbüro? Dieser Fröhlich war kein Sozialist oder Kommunist. Feldwebel in Hitlers Wehrmacht, wie verlautete. Das war er geblieben. Intellektuellehat er gehaßt, alle und alles, was er nicht kommandieren konnte. Da bewies er Instinkt.«
    Wer dachte, war ihm von vornherein suspekt.
    »Überliefert wurde auch neuerdings, an der Authentizität ist nicht zu zweifeln, ein Ausspruch jenes Paul Fröhlich, als sich Ulbricht durchgesetzt hatte mit seinem Todesurteil gegen das noch gut erhaltene Gebäude der alten Leipziger Universität und die benachbarte Paulinerkirche. Es sollte das neue Gebäude der neuen faustischen Universität entstehen: der Weisheitszahn. Damals wurde im Rektorat der Karl-Marx-Universität vom Architekten der Grundriß der neuen Universität vorgelegt. Paul Fröhlich war natürlich anwesend. Seine einzige Frage war: ›Wie können die Panzer in den Innenhof fahren?‹ Der Architekt machte sich ans Erläutern der Skizzen. Fröhlich unterbrach ungeduldig: ›Die Panzer … die Panzer …‹«
    Hätte der weitgehend studentische Protest des Jahres 1968 auf die Bevölkerung Leipzigs übergegriffen, hätten sich Szenen wie 1989 im Zentrum abgespielt – dann wären die Panzer wohl gekommen. Fröhlich hätte sie garantiert eingesetzt.
    Himmelfahrt. Die letzte Abendmesse in der Paulinerkirche.
    Es gab einigen Hickhack, ob die Gläubigen noch einmal in die Kirche durften. Der Abbruchleiter des Gotteshauses, der stellvertretende Verwaltungsdirektor der Universität, war vor Ort. Er hieß tragischerweise Paulus. Genau so wie der Schutzheilige der Dominikaner.
    Die innerliche Erregung der Besucher war groß. Ich stand hinten neben einer Säule, ich sah nach oben, sah das majestätische Kirchenschiff und wußte, es wird untergehen, und konnte und konnte es nicht fassen.
    »Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden …« Das war in diesem Moment schwer zu akzeptieren. Das Wunder, ein Wunder wollten wir sehen! Wenn doch in diesem Moment der rettende rollende Bote in einer schwarzen Tatra-Limousine aus Berlin erschienenwäre! Hier in den Raum treten würde mit der frohen Botschaft:
    »Fürchtet euch nicht! Die Kirche bleibt stehen!« Aber der rettende Bote erschien nicht.
    »Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Weltende.« Das war für die riesige versammelte Gemeinde nur ein kleiner, aber auch trotziger Trost. Diesen Glauben könnt ihr uns wenigstens nicht nehmen, selbst wenn für uns mit dem Tag der Zerstörung ein Stück unserer Welt verloren ist.
    Professor Trexler spielte am Ende des Gottesdienstes »Ein Haus voll Glorie schauet«. Ein letzter Blick. Ein schmerzliches Gefühl der Ohnmacht. Druck im Magen. Traurige Mienen, fassungslose Gesichter. Karfreitag und Totensonntag in einem. Niemand sagte ein Wort.
    Nach dem Ende des Gottesdienstes strömten sofort Zivilisten in die Kirche. Das waren nicht etwa zu spät gekommene Christen, sondern rechtzeitig erschienene Antichristen aus jenem Haus am Ring, in dem heute ihres unseligen Wirkens mit einer Dauerausstellung gedacht wird. Sie drängten die Besucher energisch aus dem Gotteshaus. Wir gingen ihnen alle zu langsam. Einer schob mich, stieß mir sogar seinen Ellbogen in die Seite: »Schneller gehen!«
    »Ich gehe so, wie ich will.«
    Sofort nahm er mich am Arm, zog mich in eine Ecke, verlangte meinen Ausweis und notierte meinen Namen. Meine Freunde hatten Angst, daß ich verhaftet würde. Draußen standen LKWs , Absperrgitter wurden abgeladen, und die ganze Kirche wurde damit eingezäunt.
    Als uns an diesem 23. Mai klar wurde, daß es kein Erbarmen für das Gotteshaus gab, als das Unfaßbare

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