Maximum Trouble
rustikale Bonanza-Look. Steffens fühlte sich tatsächlich nicht wohl. Mehr noch, er fühlte eigentlich überhaupt nichts mehr. Ich ging um den Schreibtisch herum. In Steffens Nacken steckte ein ziemlich großes Küchenmesser der Nobelmarke Bulthaup. Dann sah ich ihn mir von vorn an. Er saß entspannt in seinem Chefsessel und sah mich mit großen, erstaunten Augen an. Diesmal wurde ich nicht von seiner großen zerfurchten Nase hypnotisiert. Diesmal war es etwas anderes. Sein Mund stand leicht offen. Und in die Öffnung hatte jemand genau sechs Hühnerfedern gesteckt und liebevoll zu einem kleinen Halbkreis arrangiert.
10.
Wer auch immer Steffens so zugerichtet hatte, besaß einen Sinn für Humor, den ich in einem anderen Fall vielleicht verstanden hätte. Aber hier handelte es sich um einen Klienten, und da verstand ich keinen Spaß. Ich mochte Menschen, die kölsch redeten und dicke Nasen hatten und aussahen wie Walter Matthau. Und was ich überhaupt nicht mochte, war die Tatsache, daß mich die Flüge nach Mallorca und der Aufenthalt in Galilea eine Menge Geld gekostet hatten. Den Anzahlungsscheck von Steffens hatte ich noch nicht mal zur Bank gebracht. Und falls er jetzt noch eingelöst wurde, dann standen trotzdem rote Zahlen unter dem Strich. Kurzum, ich tat alles, was ein Privatdetektiv nicht tun sollte: ich nahm es persönlich.
Ich fummelte ein Tempotuch aus meiner Hosentasche, wickelte es um den Hörer des Telefons, das auf Steffens Schreibtisch stand, und tippte die 110 ein. Nachdem ich berichtet hatte, was Sache war, versprach man mir, die Herren Bohling und Frank sofort aus ihrem wohlverdienten freien Wochenende zu reißen und rüberzuschicken.
Ich schnüffelte auf Steffens’ Schreibtischplatte herum und zog mit Hilfe des Tempotuchs ein paar Schubladen auf, aber ich fand nichts von Bedeutung. Kein belastender Brief, kein aussagekräftiges Tagebuch. Nichts. Nur eine Druckschrift der CMA, die über die Gütebestimmungen für Bockwürste informierte. Aber was sollte ich auch groß nach irgendwelchen Spuren und Hinweisen suchen? Die sechs Hühnerfedern in Steffens’ Mund waren deutlich genug. Schöne Grüße vom Hühnerkiller. Beste Empfehlungen vom durchgedrehten Millionär.
Bohling und Frank dachten ähnlich, nachdem sie Steffens gesehen hatten. Allerdings hatte ich den Eindruck, daß es zumindest Frank ganz recht gewesen wäre, wenn ich Steffens gekillt hätte. Anscheinend hatten ihn seine Subalternen mitten aus der Renovierung seiner Wohnung gezerrt, denn er hatte mehrere eingetrocknete kleine weiße Kleckse im Blondschopf und roch leicht nach Tapetenkleister. Aber Hühnerblut in Wachsmuths Keller und Hühnerfedern in Steffens’ Mund bildeten einen Zusammenhang, den selbst er verstehen mußte.
»Sieht aus, als wäre der Fall Wachsmuth doch mehr als nur ein Fall fürs Finanzamt«, sagte ich und wußte im gleichen Moment, daß ich das besser nicht gesagt hätte.
»So offensichtlich das alles auch auf Wachsmuth hindeuten mag, Reinartz«, sagte Frank, »ich glaube, Sie haben da ein Problem. Sie könnten es doch auch gewesen sein, oder?«
»Dann hätte ich Sie wohl kaum angerufen. Wobei hab ich Sie denn gestört? Streichen Sie die Küche oder kacheln Sie Ihren Hobbykeller aus?«
Bohling sah mich erschrocken an und zog sich ein tiefes »Fffffff« in die Lunge.
»Außerdem«, setzte ich drauf, »was für einen Grund sollte ich haben, meinen eigenen Klienten umzubringen? Der Mann hat mir eine Anzahlung von 500 Mark gegeben, und ich habe schon das Sechsfache an Spesen ausgegeben, von meinen Tageshonoraren ganz zu schweigen.«
»Wo waren Sie denn so in der letzten Zeit?« fragte Frank, zog seine Brille ab und fuhr sich mit der rechten Hand durch die Löckchen. Bohling und Frank mochten sich zwar nicht, aber sie paßten gut zusammen. Der eine mittelgroß und immer etwas dicklich, der andere gut einsneunzig und hager. Beide mit grauen Gesichtern, die von zu vielen Überstunden und zu wenig Vitaminen gezeichnet waren. Und beide mit der fiesen Angewohnheit, sich bei jeder Gelegenheit pikiert und zickig ein häßliches »Ffffff« reinzuziehen. Diese Angewohnheit hatten sie schon vor zwei Jahren gehabt, als ich sie zum erstenmal erleben durfte. Schon damals konnten sie sich gegenseitig nicht ausstehen. Im Grunde waren sie sowas wie das typische unglückliche Ehepaar, das sich aus finanziellen Gründen nicht scheiden lassen kann.
»Ja, das würde mich auch interessieren«, sagte Bohling, »wie wäre es
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