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McDermid, Val

McDermid, Val

Titel: McDermid, Val Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vatermord
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sich von Tony selbst hätte
beraten lassen. Bei jedem anderen Paar mit ihrer gemeinsamen Vergangenheit
hätte die Vermutung, dass sie ein Liebespaar seien, wahrscheinlich den Nagel
auf den Kopf getroffen. Aber das emotionale Band, das sie seit den frühesten
Tagen ihrer beruflichen Verbindung zusammenhielt, hatte sich nie zu einer
körperlichen Beziehung gewandelt. Gleich von Anfang an hatte Tony offen mit ihr
über seine Impotenz gesprochen, die seine Beziehungen zu Frauen durchweg
erschwert hatte. Sie war so vernünftig gewesen, dass sie nicht meinte, sie sei
die Frau, die ihn retten konnte. Aber trotz ihrer unausgesprochenen
Übereinkunft, ihre Gefühle im Zaum zu halten, schien die gegenseitige Anziehungskraft
mitunter so stark, dass sie seine Angst vor Demütigung genauso besiegen konnte
wie ihre Befürchtung, ihre Enttäuschung nicht verbergen zu können. Aber jedes
Mal hatte ihre Umwelt ihnen Hindernisse in den Weg gelegt.
    Und bei den schrecklichen
Taten, die in ihrer Welt alltäglich waren, ergaben sich Hürden, die sich nicht
leicht überwinden ließen. Niemals würde er das eine Mal vergessen, als sie seinetwegen
nicht achtsam genug war, und welche finsteren Abgründe sich dadurch aufgetan
hatten. Eine Zeitlang hatte es ausgesehen, als würde sie aus diesen Niederungen
nie den Weg zurück finden. Dass sie es doch geschafft hatte, so glaubte er,
verdankte sie nicht ihm, das hatte vor allem mit der Bedeutung zu tun, die
ihre Arbeit für sie hatte. Tony bezweifelte, dass Blake wirklich etwas über
ihre Geschichte wusste, aber die Gerüchteküche hatte ihn wohl mit genug
Informationen ausgestattet, dass er Tony gegen Carol ausspielen konnte. Er
hasste die Tatsache, dass das möglich war. »Verdammter Idiot«, sagte Tony. »Er
sollte doch Verbindungen knüpfen, statt Leute wie dich gegen sich
aufzubringen.« Er lächelte dünn. »Nicht dass es viele wie dich gäbe.« Sie
rutschte ein wenig auf dem Sofa hin und her. Er vermutete, dass sie sich jetzt
wünschte, sie wäre Raucherin, dann hätte sie etwas zu tun. »Vielleicht ist es
an der Zeit zu überlegen, ob ich umziehen sollte. Ich meine, wir hatten es ja
beide immer nur als vorübergehende Lösung betrachtet, bis ich mir darüber
klarwürde, ob ich nach Bradfield zurückkommen wollte.« Sie hob eine Schulter zu
einem leichten Achselzucken. »Während ich darüber nachdenken würde, ob ich noch
bei der Polizei bleiben wollte.«
    »Du scheinst ja beide Fragen
beantwortet zu haben«, stellte er fest und bemühte sich, die Traurigkeit zu
verbergen, die ihre Idee in ihm hervorgerufen hatte. »Ich verstehe, warum du
eine Wohnung möchtest, in der du dich heimischer fühlen kannst. Ein bisschen
mehr Platz. Aber du brauchst nicht zu denken, dass du meinetwegen gehen musst.«
Ein schiefes Lächeln. »Ich habe mich jetzt fast daran gewöhnt, dass jemand da
ist, von dem ich Milch borgen kann.«
    Carols Lächeln war etwas
gequält. »Ist das alles, was ich dir bedeute, eine Quelle für Milch mitten in
der Nacht?« Eine lange Pause entstand. Dann sagte Tony: »Manchmal wünschte ich,
es wäre so einfach. Um deiner - genauso wie um meinetwillen.« Er seufzte. »Ich
will wirklich nicht, dass du wegziehst, Carol. Besonders wenn wir beruflich
nichts miteinander zu tun haben. Wenn wir dann noch an verschiedenen Orten
wohnen, würden wir uns kaum jemals sehen. Ich bin nicht gut im Festhalten an
Menschen, und du arbeitest zu den verrücktesten Zeiten.« Er stand auf. »Also,
möchtest du ein Glas Wein?«
     
    Gary Harcup leckte sich das
Fett von den Fingern und wischte sie an seiner Jeans ab. Die Pizza war schon
seit mindestens drei Stunden kalt, aber er hatte es nicht bemerkt. Er aß aus
Gewohnheit, er aß, wenn er eine Denkpause brauchte, er aß, weil das Essen da
war. Geschmack hatte nichts damit zu tun. Er fand es toll, in einer Welt zu
leben, in der man sich Essen rund um die Uhr kommen lassen konnte, ohne auch
nur den Telefonhörer abzuheben. Ein Mausklick versorgte ihn mit chinesischen,
indischen, thailändischen Gerichten oder Pizza. An manchen Tagen entfernte er
sich nur von seinem Computer, um die gelieferten Mahlzeiten entgegenzunehmen
und aufs Klo zu gehen.
    In seinem Heimatort war Garys
Lebensstil alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Leute, die er kannte, lebten
eine Variation seines alltäglichen Daseins. Hin und wieder konnten sie es
nicht vermeiden, dem Tageslicht entgegenblinzelnd nach draußen zu gehen, um auf
die eine oder andere Art mit Kunden zu

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