McJesus
öffentlichen San-Fernando-Krankenhaus hätten nicht freundlicher sein können. Niemand fragte nach einem Einkommensnachweis oder einer Krankenversicherung. Sie nahmen Pater Michael einfach beim Wort und schickten ihn zur Untersuchung. Eine Viertelstunde später saß Pater Michael im Untersuchungsraum und wartete auf das Ergebnis der Diagnose.
Der Arzt kam herein und entschuldigte sich. Er sagte, er habe keine Ahnung, was Pater Michael fehlen könnte. »Es sei denn, Sie haben Strychnin geschluckt«, sagte er und fügte etwas über antagonisiertes Glyzin hinzu. »Ich schlage vor, Sie gehen ins Bezirks-Med-Center.«
Also fuhr er dorthin. Das Bezirkskrankenhaus war ein Tollhaus mit blutüberströmten Verletzten, verarmten schwangeren Frauen, umringt von unzähligen kranken Kindern und Menschen aus den Randbezirken des Showgeschäfts, die nicht genug verdienten, um sich eine Krankenversicherung leisten zu können. Bewaffnete Wachen standen neben den Eingängen für den Fall, dass Auftragskiller hereinschneiten, um jemandem, den sie im Vorbeifahren nur verwundet hatten, den Rest zu geben. Kinder schrien, Telefone klingelten und wurden nicht abgehoben; aus den Kabinen der Notaufnahme drang dumpfes Stöhnen, und ständig wurden Ärzte ausgerufen, die sich irgendwo melden sollten.
Inmitten dieses Tohuwabohus stand Pater Michael vor dem Fenster des Aufnahmeschalters und versuchte zu hören, was die Schwester durch den winzigen Schlitz in der kugelsicheren Glasscheibe sagte. Die Schwester sah sich sein Aufnahmeformular an. »Sie haben also gearbeitet als Gegenleistung für eine bezahlte Reise nach Afrika plus Verpflegung und Unterbringung.«
»Nun, nicht direkt«, sagte Pater Michael, während er sich über den steifen Unterkiefer strich. »Ich denke, so kann man das nicht sagen.«
Die Schwester schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, so etwas zählt als Einkommen, und das haben Sie hier nicht angegeben.« Sie deutete auf Zeile 23 Punkt (g) auf dem Formular. »Das bedeutet, Sie können nicht auf Kosten der Öffentlichkeit behandelt werden. Tut mir Leid. Der Nächste bitte!«
Pater Michael brachte ein verständnisvolles Lächeln zustande.
Er ging in den Warteraum und ließ sich in einen der harten Plastikstühle fallen. Er musste ein paar Minuten rasten, um sich zu sammeln. Er bekam einen weiteren Krampf, der so heftig war, dass er ein paar Sekunden lang keine Luft mehr bekam. Er war krank, und er wusste es. Wohin sollte er sich jetzt wenden? Er hätte bei der Kirche Hilfe suchen können, wäre da nicht in Afrika die Geschichte mit Kardinal Cooper passiert. Pater Michael hatte den Eindruck, dass diejenigen, die helfen wollten, nicht helfen konnten, und diejenigen, die helfen konnten, nicht helfen wollten. Er bückte sich, um den Schmerz zu verringern. Es ging ihm wirklich schlecht, und das Schlimmste dabei war, dass Dan seine einzige Hoffnung darstellte.
4
Willy war erst seit knapp einem Jahr Nachtwächter, aber es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Nacht für Nacht starrte er auf einen kleinen Schwarzweißbildschirm, den er nur für den routinemäßigen Rundgang zur Überprüfung der Lagerhaustüren verlassen durfte. Manchmal betete Willy vor lauter Langeweile, es möchte etwas passieren – ein Feuer, ein Terroristenüberfall, irgendetwas …
Deshalb dankte Willy seinem Herrn, als eines Nachts, als er seine Runde machte, eine große Blondine in einem unmöglich kurzen Rock aus der Dunkelheit auftauchte. Sie trug etwas in einer Plastiktüte. »Hi!«, rief sie, als sie noch gut zwanzig Meter entfernt war. »Könnten Sie mir helfen?«
»Wo brennt’s denn?«, fragte Willy. Er ging näher ans Tor, um einen besseren Blick auf die Blondine zu haben.
»Ich wollte zu ’ner Party, und – ob Sie’s glauben oder nicht – mein Wagen ist verreckt«, sagte sie. Willy glaubte es, offen gesagt, nicht. Er schätzte das Mädchen auf Mitte zwanzig. Größe sechs, dachte er, hochbeinig und klasse gebaut. »Haben Sie ein Telefon, das ich benutzen könnte?«, fragte sie.
»Ja«, sagte Willy. »Kein Problem.«
»Hervorragend!« Sie kicherte. Anscheinend war sie ein bisschen betrunken.
Und das brachte Willy auf Gedanken. Während er den großen Schlüsselbund vom Gürtel nahm, ließ er rasch seinen Ehering verschwinden. Es war nicht nötig, dass ein kleiner Goldreif als Hindernis zwischen Klein Willy und einer langbeinigen, beschwipsten Blondine stand. Als er sah, dass sie keinen BH trug, wusste er, dass er auf der richtigen Fährte war.
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