McJesus
Versicherungsträger von Ihnen die dreihundertdreißigtausend Dollar einfordern. Dann würde der Staatsanwalt Anklage erheben wegen schweren Versicherungsbetruges. Und am Ende käme ein Prozess auf Sie zu, der Sie einiges kosten würde, wenn Sie ihn verlieren, und ungefähr genauso viel, wenn Sie ihn gewinnen. Doch gewinnen werden Sie mit Sicherheit nicht.«
Dan ließ den Kopf in die Hände sinken. »Großartig«, sagte er. Was, fragte er sich, hatte er je in seinem Leben getan, um so etwas zu verdienen?
»Es kommt noch besser«, sagte Karen und versuchte, sich ein Lächeln zu verkneifen. »Wir sind in einem Wahljahr, und der District Attorney wird Sie, um ein paar zusätzliche Stimmen zu gewinnen, liebend gern kreuzigen.«
Dan versuchte es mit Entrüstung. »Er war mein Bruder, mein Gott! Es ist ja nicht so, dass ich mit dem Trick Geld verdienen wollte.«
Karen zuckte die Achseln und warf den Ordner auf eine Ecke ihres Schreibtischs. »Das spielt keine Rolle«, sagte sie. »Die Geschworenen hassen Leute wie Sie.«
Dan war, als hätte sie ihm eine Ohrfeige versetzt. »Leute wie mich? Was soll das heißen? Ich habe nur versucht, meinem Bruder zu helfen!«
»Für die Geschworenen sind Sie nur jemand, der ihre Versicherungsbeiträge in die Höhe treibt«, sagte Karen. »Wenn Sie Ihren Bruder getötet hätten, könnte ich Sie wahrscheinlich herauspauken. Aber diese Sache hier ist ernst. Wir sprechen vom Geld anderer Leute. Sie müssen mit drei bis sechs Jahren für den Betrug rechnen plus eine Geldbuße von vierzig- bis fünfzigtausend plus die Krankenhausrechnung.«
»Dreihundertsiebzigtausend und Gefängnis?«
»Eher vierhunderttausend und Gefängnis«, sagte Karen. »Ich arbeite nicht umsonst.«
Dan ließ den Kopf vornübersinken und schüttelte ihn ungläubig.
»Es gibt eine Alternative«, sagte Karen. Dan hob den Kopf. »Welche? Ich bin ganz Ohr. Sprechen Sie.«
»Die Garderobe Ihres Bruders und das Verjährungsgesetz könnten gewissermaßen Ihre Rettung sein.«
Dan schob seinen Zitronenbonbon in die andere Backe und sah die Anwältin argwöhnisch an. »Das verstehe ich nicht.« In Wahrheit hatte er ganz gut verstanden. Es gefiel ihm nur nicht.
»Was halten Sie von sieben Jahren Zölibat?«, fragte Karen augenzwinkernd.
»Zölibat?« Dan starrte auf jeden einzelnen weichen Körperteil von Karen, als sie quer durch das Zimmer zu einem Bücherregal ging. Nein, nicht das, dachte er. Alles, nur nicht das.
»Denken Sie an Michael als ihr ›Altar Ego‹«, sagte Karen. »Doch, doch – Altar Ego.« Kichernd nahm sie eine Paperbackausgabe der Bibel aus dem Regal. »Sie wollen doch meinen Rat, oder?« Sie warf Dan die Bibel zu. »Dann schlage ich vor, dass Sie das Handbuch Ihres neuen Arbeitgebers studieren.«
Schwester Peg hatte alle Hände und den Kopf voll. Sie bereitete das Mittagessen für die Heimbewohner zu und erledigte gleichzeitig verschiedene Anrufe. Sie hatte auch bei Pater Michaels Wohnung angerufen – sie tat es praktisch jede Stunde – in der Hoffnung, ihn zu finden und ins Care Center zu bekommen.
Wie gewöhnlich war Ruben zur Stelle. Schwester Peg hatte ihrem Schöpfer schon mehr als einmal für Ruben gedankt. Sie kannte niemanden, der so hart arbeitete und sich so wenig beklagte wie er. Er war im Dunstkreis der Gang-Kultur aufgewachsen, und als die Zeit kam, hatte er sich den San Fers angeschlossen – daher die Frakturschrift-Tattoos auf seinem Hals, seinen Armen und seinem Rücken. Wie bei fast allen, die sich einer Gang anschließen, war es der familiäre Aspekt, der ihn reizte. Seine eigene Familie hatte sich aufgelöst, als er zwölf war. Die San Fers gaben ihm das Gefühl, irgendwo dazuzugehören. Als ein paar Jahre später sein Bruder aus einem vorbeifahrenden Auto erschossen wurde, verließ Ruben die San Fers und kam ins Care Center, wo er eine neue Familie fand. Er war wütend über den Tod seines Bruders, aber er wollte keine Rache. Ruben hatte Respekt vor dem Leben. Er hielt die alten Heimbewohner in Ehren und beschützte die Jüngeren, die kamen und gingen, und er drückte sich nie vor einer Arbeit, mochte sie noch so unangenehm sein.
Bei der Gang war Ruben der »Tagger« gewesen, derjenige, der für die Gang die Markierungen setzte, denn er war ein regelrechter Jackson Pollock mit der Spraydose. Seine Schulbildung bestand aus drei Jahren Gehörlosen-Schule und zwei Jahren öffentlicher Sonderschule – von einer künstlerischen Ausbildung keine Spur. Aber er war
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