Meagan McKinney
gekommen und gegangen, ohne daß
sie es in der Dunkelheit der Hütte zur Kenntnis genommen hatten.
»Irgendwas
macht das Pferd nervös.« Er sprach, als wären seine Gedanken woanders, und von
ihm unbemerkt schlich sich ein leichter Akzent in seine Stimme.
»Könnten es
Wölfe sein?«
»Nein ...«
Draußen hörte man das Appaloosa schnauben. Cain starrte an die verriegelte Tür
und runzelte besorgt die Stirn. »Vielleicht ein Bär. Vielleicht hat es nach
einem langen Schlaf auch nur Hunger.«
»Geh
nicht.« Sie streckte ihre Hand aus. »Ich habe einmal einen Grizzly gesehen, der
seine Beute riß. Das Ungeheuer hatte das Tier erlegt, bevor du noch mit den
Augen zwinkern konntest.«
Cain band
sich mit präzisen, aber deutlich nervösen Handgriffen seinen Revolvergürtel
um. »Verriegle die Tür, wenn ich draußen bin. Wenn es ein Bär ist, wird er
unseren Proviant wittern und hier drin sein, bevor ich es verhindern kann.« Er
warf einen Blick auf den Tisch, wo die Satteltaschen immer noch unberührt
lagen.
Christal
streifte sich ihr Hemd über. »Willst du ihn töten?« flüsterte sie, während er
in sein Flanellhemd schlüpfte und seine Fransenjacke drüberzog.
»Vielleicht.
Erst mal sehen, was es ist.«
»Sei
vorsichtig. Bitte.« Das letzte Wort kam flehentlich, wie ein Gebet.
Er nahm
sein altes Sharps-Gewehr auf und entriegelte die Tür. Eingewickelt in seinen
schweren Mantel rannte sie zur Schwelle und war überrascht, draußen schon
wieder die Dämmerung aufziehen zu sehen. Das ganze Tal war in graues Licht
getaucht.
Das
Appaloosa stand in der Nähe des Sees. Selbst aus der Entfernung und in dem
dämmrigen Licht konnte Christal sehen, daß seine Ohren aufgestellt und der
Schweif erregt und alarmiert erhoben war. Es witterte etwas in der Luft. Etwas
Gefährliches.
Cain wandte
sich zu ihr um, seine Augen sandten eine Warnung aus. Sie schloß die Tür so
weit sie konnte, um noch etwas sehen zu können. Wenn es ein Bär war, würde sie
die Tür schließen, bevor er nah genug herankommen konnte. Bis dahin würde Cain
ihren Blick ertragen müssen. Sie würde ihn nicht verschwinden lassen, ohne zu
wissen, was vor sich ging.
Sie sah zu,
wie er langsam und vorsichtig auf das Ufer des Sees zuging. Das Pferd schien
erleichtert bei seinem Anblick – es machte ihm keinerlei Schwierigkeiten, als
er seine Mähne packte und es zur Hütte zurückführte.
Doch
plötzlich geschah etwas. Äste bewegten sich und zerbarsten. Christal hielt den
Atem an und konnte nur mit größter Mühe einen Schrei unterdrükken. Cain
bewegte sich nicht. Das Pferd tanzte entsetzt um ihn herum. Irgend etwas im
Gebüsch zu ihrer Linken jagte ihm höllische Angst ein.
Gegen alle
Vernunft rannte Christal aus der Hütte, um Cain näher zu sein. Sie war nur noch
ein paar Meter entfernt, als sie wie angewurzelt stehen blieb. Die Angst drang
eiskalt in ihr Herz, so daß sie den Schnee unter ihren nackten Füßen kaum noch
spürte.
Es war ein
Grizzly. Das Tier erschien oberhalb des Ufers und brach aus dem Unterholz mit
der Allgewalt eines Erdbebens. Er war mager – sein goldbraunes Fell hing ihm in
Falten an seinem schweren Körper herunter und seine Krallen waren unglaublich
lang, was darauf hinwies, daß er lange keine Beute mehr gerissen hatte.
Wahrscheinlich hatte er nichts mehr erlegt, seitdem der Schnee das Land
überzogen und in eine leblose Wüste verwandelt hatte.
Das
Appaloosa stieß ein schrilles Wiehern aus, und Cain warf seine Arme um den Kopf
des Pferdes, um ihn an seine Brust zu drücken. Wenn es nichts sehen konnte,
würde es weitaus weniger verschreckt reagieren.
»Cain.
Cain.« Sie flüsterte die Worte und war erstaunt, daß er sie hörte.
»Ich habe
dir gesagt, du sollst in dieser verdammten Hütte bleiben.« Seine Stimme klang
ruhig, ohne jegliche Angst.
Der Grizzly
war am Ufer stehengeblieben und starrte nun Cain direkt an.
»Soll ich
ihn ablenken?« fragte sie mit leiser, bebender Stimme.
»Nein,
verdammt.« Das Pferd warf den Kopf hoch. Es kostete Cain viel Kraft, ihn wieder
niederzuzwingen.
»Soll ich
...« Die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Der Bär hob
sich auf seine Hinterbeine und war nun mehr als acht Fuß hoch. So auf zwei
Beinen wirkte er beunruhigend menschlich. Währenddessen kämpfte Cain mit
seinem Pferd, wobei er es vermied, dem Blick des Bären zu begegnen.
»Geh wieder
in die Hütte, Christal.« Er sprach den Satz fast zärtlich aus. »Sieh ihm nicht
in die Augen und mach
keine lauten
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