Meagan McKinney
hatte. Sie sah ihm tief in
die Augen, und eine dumpfe Vorahnung machte sich in ihr breit. »Wenn es so
wäre, dann hättest du Jericho vorhin verhaftet. Du hast es aber nicht
getan.«
»Er war
nicht im Saloon. Du hast ihn in die Küche gebeten. Und, wie ich betonen möchte,
dummerweise den Mut besessen, darauf hinzuweisen, daß du es getan hast. Faulty
hätte dir deswegen jede Menge Ärger machen können, und das weißt du. Unter
Umständen hätte ich dich und Jericho einsperren müssen.«
Ein kalter
Schauer jagte ihr über das Rückgrat. Sie hatte nie daran gedacht, daß sie dafür
hätte verhaftet werden können, daß sie Jericho in Schutz genommen hatte. »Mußt
du dich immer so pedantisch an das Gesetz halten? Du weißt doch sehr gut, daß
das die Sache heute abend eine Lappalie war ...«
Er berührte
ihre Lippen, um sie zum Schweigen zu bringen. »Ich bin der Sheriff, und ich
setze das Gesetz durch. Und genau das habe ich auch heute abend getan.«
»Aber du
hast dafür gesorgt, daß es fair ausging.« »Es geht gewöhnlich fair aus, wenn
man sich nach dem Gesetz richtet.«
Sie starrte
ihn an, ohne ihm zustimmen zu können. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
»Warum bist du hergekommen, Christal?«
»Nur um dir
zu danken. Ich war froh, daß du Ivy und Jericho nicht wehgetan hast.«
»Und du
wolltest mit mir reden, nicht wahr?«
Ihr Magen
krampfte sich zusammen. Er schien auf ein Geständnis zu warten. Plötzlich hatte
sie überhaupt keinen Drang mehr danach, ihm etwas zu erzählen. »Ich muß jetzt
wieder gehen. Es ist schon spät.«
Er ließ
seine Hand unter den Umhang gleiten und legte einen Arm um ihre Taille. Dann
zog er sie an sich und sagte weich: »Beantworte mir nur eine Frage. Wenn du das
tust, lasse ich dich gehen.«
Ihre Augen
glitzerten furchtsam. »Was für eine Frage?«
»Du mußt
mir versprechen zu antworten, ohne daß du sie gehört hast. Ansonsten könnte ich
dich einfach endlos hier festhalten.« Er verstärkte seinen Griff und lächelte
fast.
Sie starrte
ihn an. Ganz sicher würde er sie fragen, wo sie herkam, wie ihre Schwester hieß
oder etwas dergleichen. Aber sie konnte irgendwie um die richtige Antwort
herumkommen. Ganz sicher würde es ihr gelingen. »Also gut. Stell deine Frage.«
»Und du
sagst mir die Wahrheit?«
Sie sah ihn
mit direktem, kühlen Blick an. »Wenn ich lüge, dann nur, weil ich etwas
auslasse.«
Sein
Lächeln war überhaupt nicht ermutigend. Er zog sie auf einen Stuhl am Tisch,
dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände und sagte: »Sag mir, welche Person du
am meisten liebst.«
Sie konnte
ihre Überraschung nicht verbergen. Die Frage kam wirklich unerwartet. Natürlich
lautete die Antwort Alana. Sie brauchte also nur die Worte meine Schwester auszusprechen,
und er würde sie gehenlassen.
Doch als
sie seinem Blick begegnete, durchzuckte sie unerwartet ein seltsames und
schreckliches Gefühl. Sie liebte ihre Schwester innig, doch vielleicht war die
Antwort plötzlich nicht mehr so simpel, wie sie dachte. Sie hatte ihre
Schwester seit vier Jahren nicht mehr gesehen und wünschte sich nichts sehnlicher,
als sie einmal wieder zu treffen – und das mit einer Verzweiflung, die ihre
Gefühle vielleicht verschleierte. Ihre Schwester hatte sie möglicherweise
längst vergessen. Alana Sheridan lebte ihr Leben mit Ehemann und mittlerweile
sicher auch Kindern in New York.
Manchmal fragte sich Christal sogar, ob ihre Schwester sie überhaupt
wiedersehen wollte. Christabel van Alen hatte sich inzwischen verändert. Didier
und Wyoming hatten sie hart gemacht. Sie paßte längst nicht mehr in die
Gesellschaft der Knickerbocker. Und sie würde sich wahrscheinlich nie wieder
einfügen können.
Und
vielleicht war das der Grund, warum sie diese Antwort nicht als einzig wahre
aussprechen konnte. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, mußte sie sich
eingestehen, daß es einen ganz anderen gab. Die Liebe zu ihrer Schwester war
stark wie je zuvor, doch wenn sie Macauly in die Augen sah, erkannte sie eine
andere Anwort auf seine Frage. Es hallte in ihrem Herzen wieder. Die Antwort lautete Dich.
Er hob ihr
Kinn, deutlich betroffen über ihr Schweigen. Sanft fragte er: »Was ist los,
Christal?«
Sie mied
seinen Blick. »Ich kann dir die Frage doch nicht beantworten.«
»Tut die
Erinnerung« – seine Stimme wurde rauh vor Zärtlichkeit – »so weh?«
Sie schloß
verzweifelt die Augen. Ich war in einer Anstalt für gefährliche Verrückte.
Glaubst du mir? Kannst du mir
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