Meagan McKinney
Hände los, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Alana, dieser
Mann ist... vulgär.«
Am liebsten
hätte Alana eifrig zustimmend genickt. Das war Sheridan ganz sicher. Unter seiner formellen
antrainierten Haltung schimmerte sein Instinkt, sein triebhaftes Wesen durch,
das – Alana wußte es nicht genau zu sagen – aus den Straßen oder aus
seinem irischen Erbe entstammte. Ja, da war etwas, und es lauerte unter seiner
Fassade wie eine gewaltige, ungezähmte Raubkatze im Käfig. »Sie meinen doch
nur, daß dieser Mann Ire ist. Und das können Sie nicht tolerieren.« Alana
fand es sinnlos, das Offensichtliche zu verschweigen.
Mrs. Astor
schloß die Augen, als wollte sie um ausreichend Kraft beten. »Sie sind da
draußen, Alana, jetzt, in diesem Moment. Soll ich sie dir zeigen?« Sie öffnete
die Augen und sah Alana direkt an. »Gerade jetzt arbeiten Iren in der Mercer
Street am Straßenpflaster. Sollen wir hinüberfahren? Ist es das, was du dir
unter einem Ehemann vorstellst? Einen Mann, der nicht besser als ein einfacher
Arbeiter ist? Ein Mann, der mit den Instinkten eines Tieres gesegnet ist? Der
von einer Frau zur nächsten streunt, und mit den Beweisen seines archaischen,
primitiven Triebes das städtische Waisenhaus bevölkert?«
Alana hatte
überhaupt keine Lust, diesen Mann zu verteidigen. Sheridan jagte ihr so viele
Ängste ein, daß sie ihn am liebsten bis in alle Ewigkeit verflucht hätte. Aber
zu diesem Zeitpunkt ließ ihr Charakter nichts anderes zu. Wenn der Angriff auf
Sheridan rein persönlich gemeint gewesen wäre, so hätte sie sicher applaudiert.
Dieser hochnäsige, intrigante Teufel konnte gut eine Herabsetzung vertragen.
Aber solange sich Mrs. Astors Kritik auf solche schwachsinnigen Argumente
stützte, solange sie sich ausschließlich auf seine Herkunft bezog, mußte sie
dagegen protestieren. »Trevor Sheridan ist kein Arbeiter aus den Baracken. Sie
können ihn nicht mit den betrunkenden, grölenden
Kerlen vergleichen, die Sie auf den Baustellen gesehen haben.«
»Nun,
vielleicht ist er es jetzt nicht mehr, aber er war es einmal«, stellte Mrs.
Astor fest. Ihre spitzen Gesichtszüge färbten sich dunkel vor Ärger.
»Auch die
Astors waren einmal arm.« Alana hatte den Kampf nicht aufnehmen wollen, doch
nun, da sie den Schlag einmal pariert hatte, konnte sie an Mrs. Astors Gesicht
erkennen, daß es kein Zurück gab.
Der Zorn
ließ Mrs. Astors Teint rot anlaufen. »Die Iren trinken alle!« fauchte sie.
»Knickerbocker
auch – und manche sogar zuviel«, konterte Mana und dachte an die Nacht, in der
ihr Onkel sie in dieses Dilemma gestürzt hatte.
Caroline
Astor war keine Frau, die gern um den heißen Brei herumredete. Sie blickte
Alana scharf in die Augen und sagte: »Sheridans Schwester, Mara, ist in New
York geboren.Als die Sheridans in Castle Garden 7 landeten, wurde die Familie als eine Witwe mit zwei jungen Söhnen registriert.
Das läßt nur einen einzigen Schluß zu.«
Obwohl sie
sich bemühte, gelang es Alana nicht, ihren Schock zu verbergen. Sie konnte es
nicht glauben. Mara Sheridan mit ihrem hübschen, (eingeschnittenen Gesicht
und ihrem unglaublich schwarzen Haar glich keinesfalls dem Bild, das sich
Alana stets von illegitimen Kindern gemacht hatte. Sie dachte an das schöne
junge Mädchen, das sie im Central Park vor Monaten kennengelernt hatte. Bastarde
trugen keine blauen Samtcapes, die zu ihrer Augenfarbe paßten. Bastarde, das
waren die Banden aus schmutzigen Straßenjungen, die sich an der Lower East Side
herumtrieben und für ihren Lebensunterhalt stehlen mußten. Das waren jene
verruchten Kinder, die dafür verantwortlich waren, daß sich selbst Gentlemen
nachts nicht mehr ohne Pistole auf die Straßen wagen konnten. Ganz sicher waren
es keine lieblichen jungen Frauen, die in den Grünanlagen in offenen Wagen
spazierenfuhren.
Aber eins
begriff Alana nun: Sie wußte jetzt, warum der Ire sich fast krankhaft
übertrieben um seine Schwester kümmerte. Wenn Christabel in dieser Schande
geboren worden wäre, dann hätte sie, Alana, auch auf Leben und Tod dafür
gekämpft, daß sie gesellschaftlich anerkannt würde. Seltsamerweise empfand sie
nun Bewunderung für Sheridan. Obwohl er sich einem praktisch unbesiegbarem
Gegner entgegenstellte, war er in seiner Rolle als Bruder fast ein Heiliger.
»Nicht
wahr, das trifft dich?«
Mrs. Astors
Stimme durchdrang Alanas Gedanken. Sie sah auf, und ihr Erschrecken wandelte
sich in Zorn. »Selbst ein Bastard hat Gefühle«,
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