Medaillon des Schicksals (German Edition)
oder sich von ihr in den Arm nehmen lassen.
Ich kenne diese Frau nicht, dachte Rosaria verwundert. Warum fühle ich mich so stark zu ihr hingezogen?
Endlich sprach Donatella di Algari weiter: »Mein Sohn wird heiraten. Deshalb seid ihr hier: Die Gaukler, Vaganten und Schauspieler sollen während der Festlichkeiten zur Belustigung der Gäste beitragen.«
»Unsere Darbietungen können sich sehen lassen. Wir haben selbst in Florenz Erfolge gefeiert«, bestätigte Rosaria.
»Darum geht es nicht«, wurde sie von der Contessa unterbrochen. »Belustigung, gut und schön. Mir selbst geht es um etwas anderes. Mein Sohn liebt seine Braut nicht, und auch die Braut ist als kühl und hochmütig bekannt. Eine Frau, die einzig sich selbst, ihre Kleider und ihren Schmuck liebt. Ich möchte, dass du einen Liebestrank braust, der das Feuer in den Herzen von Giacomo, meinem Sohn, und Isabella, der Braut, erweckt.«
»Aber das kann ich nicht ...«, warf Rosaria ein, doch eine Handbewegung der Contessa brachte sie zum Verstummen.
»Still, Händlerin! Widersprich mir nicht!«
Der barsche Ton der Contessa ließ Rosaria verstummen.
»Ich weiß nichts von der Liebe, kenne nur das Leid. Meinem Sohn will ich es ersparen. Dafür sind mir alle Mittel recht. Also überlege dir, wie du das Liebesfeuer entfachst, und komm mir nicht mit Ausreden!«, be stimmte die Contessa.
»Sehr wohl, Signora Contessa«, willigte Rosaria schließlich ein und machte einen Knicks. Doch die Frau am Fenster, die noch immer ihr Gesicht vor Rosaria verbarg, sah es nicht. Sie nahm eine Glocke zur Hand, die vor ihr auf dem Fensterbrett gestanden hatte, und schellte damit. Wenig später erschien die Magd, die Rosaria vorhin zu den Gemächern der Contessa geführt hatte.
»Bring die Händlerin zu Daria«, befahl die Contessa.
»Sehr wohl«, erwiderte die Magd und machte Rosaria ein Zeichen mit der Hand.
Rosaria verabschiedete sich und hoffte, im letzten Moment doch noch einen Blick auf das Gesicht der Contessa werfen zu können, doch diese stand noch immer wie eine Statue da und blickte aus dem Fenster auf eine Landschaft, die wohl tröstlich hätte sein können, wenn man bereit wäre, sich trösten zu lassen. Denn obwohl Rosaria Donatella di Algari nur wenige Minuten erlebt hatte, so hatte sie doch das tiefe Leid der Frau, deren unendliche Verzweiflung und Traurigkeit gespürt.
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7. Kapitel
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»Was ist die Contessa für eine Frau?«, fragte Rosaria die Magd bei ihrem Gang durch die düsteren Gänge der Burg.
Die Magd zuckte mit den Schultern.
»Man sagt, sie sei früher eine Schönheit gewesen. Lieblich wie ein Engel und von einer alles überstrahlenden Güte. Im Lauf der Ehe mit dem Conte allerdings hat sie alle Reize verloren. Nun steht sie die meiste Zeit am Fenster und starrt hinaus, als erwartete sie Hoffnung von dort.«
»Gibt es denn niemanden, mit dem sie ihr Leid teilen kann?«, fragte Rosaria voller Mitgefühl.
»Ihre Kinder, Daria und Giacomo, sind die Einzigen, die ihre Traurigkeit für kurze Zeit vertreiben können. Der Conte ist ein böser Mann, der ...«
Die Magd war stehen geblieben und hatte sich beim Sprechen zu Rosaria umgedreht. Plötzlich aber erstarrte sie, wie von einem Blitzschlag getroffen, schlug die Hand vor den Mund und blickte mit vor Entsetzen geweiteten Augen hinter Rosaria, als hätte sie ein Gespenst gesehen.
Argwöhnisch drehte Rosaria sich um, damit sie sehen konnte, was die Magd so in Erschrecken versetzt hatte.
Ein Mann war es, der da stand und aus trüben, Blut unterlaufenen Augen Blitze schleuderte. Er war groß und massig von Gestalt, sein Haar stand nach allen Richtungen ab und wirkte wie Gestrüpp. Er hielt die Hände vor seinem gewaltigen Bauch verschlungen und zog nacheinander an jedem einzelnen seiner Finger, dass es knackte. Das Knacken verlor sich in den weiten Gängen der Burg und kam als drohendes Echo zurück.
Rosaria fühlte wieder Kälte in sich hochsteigen, doch diesmal war die Kälte von einer beinahe gläsernen Art, die ihre Knochen so zerbrechlich machte, dass ihr beinahe die Beine weggeknickt wären. Der Mann ängstigte sie, und sie wusste, dass es sich um niemand anderen als den Conte Giovanni di Algari handelte. Rosaria sah ihn und wusste plötzlich, dass er es war, der die Kälte und den Schmutz in die Burg und alles Schöne und Lebendige in seiner Umgebung zum Sterben brachte.
Sie sah in seine Augen, in denen das Feuer der Hölle zu lodern schien, und ahnte, dass alles Leid der
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