Medaillon des Schicksals (German Edition)
Olivenhändlerin?«
Isabella hörte die Fragen der Anime, hörte darin auch eine leichte Unsicherheit. Die Alte lügt, dachte sie. Sie muss das Medaillon doch auch gesehen haben. Warum tut sie jetzt so, als wüsste sie nicht, was die Contessa meint? Isabellas Neugier wuchs ins Unermessliche. Behutsam schlich sie den Gang entlang, denn die beiden Frauen entfernten sich und ihr Gemurmel war kaum noch zu verstehen. Isabella musste ihre ganze Konzentration aufbieten, um zu hören, was gesprochen wurde.
»Rosaria, trug das Medaillon meiner Familie um den Hals. Das goldene Medaillon mit dem Wappen der di Toscanis. Ich habe den Weinstock, an dem neben Trauben auch Rosen blühen, genau gesehen. Es ist das Medaillon meiner Mutter, das sie mir bei ih-rem Tode gab und das du dir, Amme, bei der Geburt von Giacomo als Belohnung für deine Dienste erbatest.«
Ein Familienschmuckstück als Lohn für eine Dienstmagd? So dumm Isabella auch scheinen mochte, ihre Gerissenheit sagte ihr, dass sie hier einem Geheimnis auf die Spur gekommen war. Einem Geheimnis, das so groß war, dass es den Frieden der Burg di Algari in seinen Grundfesten erschüttern konnte. Und wie kam das Medaillon aus den Händen der Amme an den Hals dieser fahrenden Händlerin?
Isabella presste vor Spannung beide Hände vor die Brust. Ihr Atem ging stoßweise, und in ihre Augen war das Glitzern eines Menschen getreten, der bereit war, das Unglück anderer schonungslos zum eigenen Vorteil auszuschlachten.
Dicht an die Wand des verwinkelten Ganges gepresst, der nur unzureichend durch wenige Talglichter erhellt war, folgte sie der Contessa und der Amme.
Sie beobachtete, wie die Contessa einen Schlüssel aus ihrem Ausschnitt fingerte und in ein Türschloss steckte. Sie schloss zweimal herum, dann sprang die Tür auf, und die beiden Frauen verschwanden im Innern des Gemachs.
So schnell Isabella konnte, folgte sie den beiden Frauen. Die Absätze ihrer kleinen Lederstiefel klapperten leise auf dem steinernen Boden; Isabella zog sie rasch aus und huschte auf bloßen Füßen und ungeachtet der Unebenheiten des Untergrunds bis zum Geheimgemach der Contessa. Dort angekommen, ließ sie sich auf die Knie sinken, presste ihr Auge auf das Schlüsselloch und sah, wie die Contessa Hände ringend auf und ab ging, während ihr Gesicht Ratlosigkeit, Bestürzung und Verzweiflung widerspiegelte. Die Amme aber stand mit dem Rücken zur Tür. Isabella erkannte am Beben der Schultern, dass auch sie erregt war.
Sie presste nun ihr Ohr auf das Schlüsselloch und ließ sich auch nicht durch den kalten Windhauch stören, der durch die Türöffnung unangenehm in ihren Gehörgang drang. Zu ungeheuerlich war das, was Isabella da mit anhörte. So ungeheuerlich und so gut zu ihren Plänen passend, dass sie an sich halten musste, um nicht in höhnisches, triumphierendes Gelächter auszubrechen.
»Was ist in dieser Nacht geschehen, Amme? Sag es mir! Was hast du mit dem Kind getan, das ich geboren habe? Du hast es auf dem Arm gehalten, nachdem du mir den Schlaftrunk reichtest. Ich erinnere mich genau, dass ich deine Schritte gehört habe.«
»Nichts habt Ihr gehört. Gar nichts. Geschlafen habt Ihr wie eine Tote. Die Geburt war sehr anstrengend, Ihr wart erschöpft.«
Plötzlich begann die Contessa zu schreien. Isabella erschrak und zog für einen Augenblick ihr Ohr zurück.
»Hör auf zu lügen. Sag mir die Wahrheit!«
»Pst, ruhig. Seid still, oder wollt Ihr, dass Euch jemand hört?«, beschwichtigte die Amme.
Isabella hörte, wie die Contessa in Tränen ausbrach.
»Sag mir, was geschehen ist. Ich kann nicht weiterleben mit dieser Ungewissheit. Sag mir die Wahrheit, so weh sie auch tut. Um der Madonna willen, sprich sie aus. Vielleicht werde ich dann Frieden finden können.«
»Also gut. Um Eures Friedens willen werde ich mein Schweigen brechen«, hörte Isabella die Hebamme sagen und hielt vor Anspannung die Luft an.
»Es war kein Sohn, den Ihr in dieser Nacht geboren habt. Es war eine Tochter. Ihr selbst wisst, was der Conte Euch angedroht hatte, solltet Ihr wieder eine Tochter zur Welt bringen.«
»Ja, ich erinnere mich«, flüsterte die Contessa. »Er wollte mich verstoßen, und ich weiß nicht, wie oft ich mir in den letzten achtzehn Jahren gewünscht habe, er hätte es getan. Doch was ist mit der Tochter geschehen?«
»Erinnert Euch«, forderte die Amme Donatella di Algari auf. »Erinnert Euch, dass in jenen Tagen eine Kolonne fahrender Händler unten im Dorf Halt gemacht
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