Medaillon des Schicksals (German Edition)
war, rief er:
»Danke! Ihr habt mir sehr geholfen.«
Und das hatte der Mann wirklich, denn jetzt wusste Giacomo, was er zu tun hatte.
Ich werde Rosaria suchen, werde nicht eher ruhen, als bis ich sie gefunden habe. Und was dann geschieht, wird die Zeit uns sagen.
Einen Augenblick lang dachte er an die Burg, an seine Mutter, seine Schwester. Er hätte gern gewusst, ob Isabella inzwischen nach Florenz zurückgekehrt war, aber so brennend interessierte es ihn auch wieder nicht. Mit ihr hatte er nichts mehr zu tun. Und Dana? Ob es ihr gut ging? Donatella?
Doch dann verdrängte er diese Gedanken. Wichtiger war es jetzt, Rosaria zu finden. Er würde als Erstes die Kolonne aufsuchen. Vielleicht wusste man dort, wo sie sein könnte. Vielleicht konnte man ihm dort auch sagen, warum Rosaria nicht auf der Burg aufgewachsen war, wie die anderen Kinder der Contessa Donatella.
Giacomo verspürte plötzlich große Eile. Doch es war bereits Nacht geworden. Morgen, gleich morgen früh würde er sich aufmachen und die Kolonne der Händler und Gaukler suchen.
Auf der anderen Seite des Hügels irrte Raffael durch die Dunkelheit. Sein Kopf schmerzte, als hätte eine Schmiede darin ihr Quartier mit Hammer und Amboss aufgeschlagen.
Er dachte an Rosaria, dachte daran, dass er sie nun endgültig verloren hatte. Wenn ich doch die Zeit zurückdrehen könnte, wünschte er und verfluchte sich für seinen Jähzorn. Ja, er hatte Rosaria wehtun wollen, wie sie ihm wehgetan hatte. Sie hatte ihn verraten, hatte einen anderen vorgezogen und verwehrte ihm die Liebe. Sie würde ihm niemals verzeihen, das wusste er, und auch ihm fiel es jetzt schwer zu verstehen, was er vor wenigen Stunden getan hatte und beinahe getan hätte.
Jetzt ritt er allein durch die Finsternis mit brummendem Schädel und beklagte sich und sein Schicksal. Eine Welle des Selbstmitleids überrollte ihn. Da tauchte vor ihm ein kleines Wirtshaus auf. Das Schild WIRTSHAUS ZUR FRÖHLICHKEIT verhieß genau das, was er jetzt am besten gebrauchen konnte. Er ritt darauf zu, band die Pferde an einen Haken in der Hauswand und betrat die Schankstube.
Lärm schlug ihm entgegen, und für einen Augenblick glaubte Raffael, dass sein Schädel zerspringen müsste, doch dann setzte er sich auf eine Bank zu einigen Männern und sah sich um. Es war eine typische toskanische Weinwirtschaft, in die er geraten war. Die Wände waren weiß verputzt. Bänke zogen sich daran entlang, und vor diesen standen grob gezimmerte Tische. Auf den Tischen brannten Talglichter in eisernen Leuchtern und gaben dem Raum eine heimelige Atmosphäre. An einer Seite des Raumes war eine Tür, die den Blick in die Küche freigab. Dort stand ein riesiger Kessel auf einem Herdfeuer und verströmte einen köstlichen Geruch.
An einem Tisch nahe dem Fenster hatten sich einige Reiter niedergelassen. Sie wirkten erschöpft wie nach einem langen anstrengenden Ritt und tranken den Wein, als wäre er Wasser.
Er grüßte die Männer und diese erwiderten seinen Gruß mit einem freundlichen Nicken. Auch die Bauern an seinem Tisch sahen auf und nickten ihm freundlich zu, ehe sie sich wieder in ihre Gespräche vertieften.
»Die Trauben hängen gut am Stock. Es wird eine reichliche Ernte geben«, sagte der eine, dessen Fingergelenke voller Gichtknoten waren.
»Ja, die Ernte wird gut. So gut, dass der Conte auf mehr Abgaben bestehen wird und unsere Kammern und Keller wieder leer bleiben werden.«
»Es ist eine Last mit den Herren, die nicht genug kriegen können. Sie nehmen uns die Ernte, nehmen das Vieh und das Korn und weiden fett und fetter. Wie lange dauert es, bis sie uns auch noch die Frauen und Töchter wegstehlen?«
»Es ist schon so weit«, brummte Raffael.
Das Schankmädchen, ein dralles Ding mit weit ausgeschnittenem Mieder und einem roten, großen Mund, der beim Lächeln zwei Reihen blendend weißer Zähne zeigte, trat an den Tisch und fragte Raffael nach seinen Wünschen. Sie war die Tochter des Wirtes und strahlte die gesunde Frische eines Menschen aus, der sich oft im Freien aufhält und das Leben liebt. Raffael schätzte sie auf etwa siebzehn Jahre.
»Wein möchte ich. Viel Wein und Grappa dazu.«
Das Schankmädchen lachte. Sie hatte ein heiteres, freundliches Wesen, und ihre grünen Augen glänzten unternehmungslustig.
»Habt Ihr Liebeskummer?«, fragte sie und strich ihm spielerisch und zugleich tröstend über das lange lockige Haar.
»Ein so hübscher Kerl wie Ihr kriegt doch auf jedem Marktplatz eine
Weitere Kostenlose Bücher