Medaillon des Schicksals (German Edition)
Rosaria, mein Kind, niemals. Es gibt immer eine Lösung. So aussichtslos dir deine Lage auch erscheint, vertraue auf Gott. Er wird dir helfen.«
Rosaria beruhigte sich ganz allmählich. Es war, als wäre die Kraft und Stärke, die Paola zeitlebens bewiesen hatte, auf unerklärliche Weise auf Rosaria übergegangen. Wusste sie, dass die Liebe, die Paola ihr geschenkt hatte, so stark war, dass sie ihr Leben lang davon zehren konnte?
Ganz klar wurden ihre Gedanken, und mit der Klarheit kam auch die Lösung. Ja, Rosaria wusste nun, was zu tun war. Sie würde nach Florenz gehen, würde bei Lorenzo Il Magnefico um eine Audienz bitten und ihm alles erzählen, was sich zugetragen hatte. Er war verständig, hatte ein großes Herz. Jeder in der Toskana wusste das. Er würde auch sie verstehen. Ja, Rosaria war bereit, für das Unheil zu büßen, das sie angerichtet hatte. Sie war bereit, die Strafe anzunehmen, die man ihr für Raffaels Verletzung oder gar für seinen Tod auferlegen würde. Doch sie war keine Hexe, sondern eine Frau, die einen Mann liebte, der ihr von Gott bestimmt worden war. Giacomo di Algari. Und da es keine Möglichkeit gab, mit ihm zusammen zu sein, würde sie, wenn Il Magnefico dies wünschte, in ein Kloster gehen und den Menschen für den Rest ihres Lebens dienen.
Sie würde ruhen, ein wenig ausruhen nur und schlafen, und sich dann auf den Weg machen.
Doch Rosaria fand keinen Schlaf. Der Gedanke an Raffael, den sie niedergeschlagen und blutend zurückgelassen hatte, raubte ihr die Ruhe. Vielleicht lebte er noch, vielleicht war er noch zu retten. Nein, sie konnte ihn unmöglich dort allein in der Nacht zurücklassen. Allein und ohne Hilfe.
Mühsam richtete sie ihren schmerzenden, erschöpften Körper auf und ging langsam den Weg, den sie zuvor in fliegender Hast entlanggeeilt war, zurück bis zu dem verlassenen Gehöft. Schwer fiel ihr dieser Weg, mühsam war jeder Schritt. Doch was immer ihr Raffael auch angetan hatte oder noch antun wollte, sie durfte ihn jetzt nicht ohne Hilfe lassen. Kein Mensch war so schlecht, so niedrig, dass er allein und blutend in einer dunklen Nacht sein Leben aushauchen musste.
Endlich sah sie das Gehöft aus den Schatten der Nacht auftauchen. Vorsichtig und mit wachen Ohren, die auch noch das kleinste Geräusch wahrnahmen, näherte sie sich dem Ort.
Der Mond stand hell und silbern am Himmel und schickte sein kaltes Licht hinunter auf das Gehöft und die einsame Frau, die sich über den ausgetretenen Pfad schleppte. Näher und näher kam sie dem Ort, an dem sie Raffael bewusstlos zurückgelassen hatte. Angst kroch in ihr hoch. Leise betete sie vor sich hin. Sie tat es, um sich Mut zu machen, um ihre Angst zu bekämpfen, aber auch, um für Raffael das Beste zu erbitten.
Endlich war sie an der Unglückstelle angelangt, doch wie groß war ihr Erstaunen, als sie sah, dass dort, wo Raffael gelegen hatte, nur noch niedergedrücktes Gras von seiner Anwesenheit sprach. Verblüfft sah sie sich um und presste beide Hände auf ihr klopfendes Herz, als könnte sie es damit beruhigen.
Langsam, ganz langsam suchte sie die Umgebung ab. Sie sah, dass auch die beiden Pferde verschwunden waren. Dann wandte sie sich um und ging in Richtung des Brunnens. Im Mondlicht sah sie einen Fetzen weißen Stoff. Behutsam nahm sie ihn auf; er war blutdurchtränkt. Raffael war nicht tot, begriff sie, und eine ungeheure Erleichterung ließ sie aufseufzen. Am Brunnen fand sie weitere blutige, nasse Stofffetzen.
Nein, Raffael war nicht tot, sie hatte ihn wohl nur bewusstlos geschlagen. Dann musste er aus seiner Ohnmacht erwacht sein, hatte sich zum Brunnen geschleppt und die Wunde gewaschen. Die Stofffetzen, nass und hellrot, waren der Beweis.
Nein, Raffael war nicht tot. Er hatte die Decken und alle anderen Sachen, die von ihrem Aufenthalt in dem verlassenen Gehöft zeugten, zusammengepackt, hatte die Pferde losgemacht und war davongeritten. Ja, so musste es gewesen sein. Eine andere Erklärung fand Rosaria nicht. Froh war sie, unendlich froh und erleichtert, dass Raffael lebte und sie keine Mörderin war. Er hatte sich gewiss irgendwo eine Herberge gesucht, nun, da er nicht mehr die Verfolger der Burg fürchten musste. Morgen schon würde er zu der kleinen Kolonne zurückkehren und in Sicherheit sein. Man würde seine Wunde pflegen, und schon bald wäre er gesund.
Rosaria sank auf die Knie und dankte der Madonna mit aller Inbrunst für diese Fügung des Schicksals.
Dann aber übermannte sie die
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