Medaillon des Schicksals (German Edition)
mehrere Stricke herausholte. Jetzt sprang auch ein zweiter von seinem Pferd, packte Rosaria grob und drehte ihr so schmerzhaft die Arme auf den Rücken, dass sie aufstöhnte. Schon band er ihr die Hände so fest an den Gelenken zusammen, dass sich das Blut in ihren Armen staute und die Schultergelenke ächzten.
Der andere hatte inzwischen ihre Röcke ein Stück gehoben und band ihr – ebenfalls mit zwei festen Kälberstricken – die Füße so dicht aneinander, dass sie keinen Schritt mehr vor den anderen setzen konnte.
Jetzt wurde sie von dem ersten unsanft um die Hüften gepackt und zu einem der Reiter hinaufgereicht, der sie unter den Achseln packte und vor sich über den Sattel warf.
»Los jetzt! Reiten wir weiter. Der Conte wird sich außerordentlich freuen über das Geschenk, welches wir ihm mitbringen. Er hat uns Branntwein versprochen und Wein, so viel wir trinken können.«
Die Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und galoppierten davon. Rosaria war in einer denkbar unbequemen Lage gefangen. Ihr Kopf hing nach unten und war ungeschützt den zahllosen Steinen ausgesetzt, die von den Pferdehufen hochgewirbelt wurden. Sie schmeckte Staub im Mund, und schon nach wenigen Minuten schmerzte ihr Kopf von dem ungewohnten Blutandrang. Sie fühlte sich so hilflos und ausgeliefert, dass sie still zu weinen anfing. Bald schon verspürte sie ein schmerzhaftes Kribbeln in den Beinen. Leise stöhnte sie auf, doch der Reiter hörte ihr Stöhnen nicht oder wollte es nicht hören.
Rosaria wusste nicht, wie lange sie geritten waren, als die Reiter eine Rast einlegten. Sie tränkten ihre Pferde in einem Bach, setzten sich selbst ans Ufer und verzehrten ihren Proviant. Rosaria hatten sie auf dem Pferderücken liegen gelassen.
»Durst, ich habe Durst. Gebt mir etwas zu trinken«, bat sie mit leiser Stimme.
»Du bist eine Hexe«, sagte einer der Reiter hämisch. »Zaubere dir doch Wasser.«
Doch ein anderer warf ein: »Wir sollten sie losmachen und ihr etwas zu trinken geben. Der Conte hat ausdrücklich angeordnet, dass wir sie lebend auf die Burg zurückbringen sollen.«
Rosaria atmete auf, als sie das hörte. Sie wurde vom Pferd gehoben und wie ein Stück Holz und noch immer gefesselt auf den Boden gelegt. Einer hielt ihr einen Becher an den Mund und Rosaria trank in gierigen, hastigen Schlucken. Doch dann verschluckte sie sich, keuchte und rang nach Luft. Mit letzter Kraft warf sie sich herum und spie das Wasser, das ihr in die falsche Kehle geraten war, in einem Schwall auf den Boden. Dabei stieß sie gegen einen der Reiter, der den Wasserkrug in der Hand hielt. Dieser erschrak, taumelte, und das ganze Wasser ergoss sich in einem Schwall auf den Boden.
»Lieg still, Hexe!«, schrie der Mann und bückte sich zu ihr herunter. Mit einer Hand griff er in Rosarias Haar und zog schmerzhaft daran.
»Sag, hast du das Wasser verzaubert? Werden wir alle an Bauchgrimmen sterben? Rede, los!«
Rosaria hustete und prustete noch immer. Zwischen den keuchenden Atemstößen stieß sie stammelnd hervor: »Ich bin keine Hexe, ich kann nicht zaubern. Ich weiß nichts vom Wasserzauber und auch sonst nichts von Hexerei.«
»Pah!«
Der Wachmann ließ sie los.
»Ich habe selbst gesehen, wie du das Wasser herausgespuckt hast. Wer weiß, was das zu bedeuten hat.«
»Schluss jetzt!« Es war wieder der Anführer, der seinen Ku^mpan zur Ordnung rief.
»Wir müssen weiter, der Conte wartet.«
Und sc tion ging es weiter, schon lag sie wieder mit dem Kopf nach unten über dem Sattel. Ihr Rücken schmerzte, ihre Schultern waren verkrampft, der Kopf brummte, und die Stricke schnitten ihr scharf ins Fleisch.
Am Anfang hatte Rosaria noch geglaubt, dies alles sei ein böser Traum, aus dem sie jeden Moment erwachen würde. Spätestens auf der Burg würde Giacomo sie befreien, würde dafür sorgen, dass der Prozess nicht stattfand. Er liebte sie, er würde sie retten, da war sie sich ganz sicher.
Doch dann hatte sie den Unterhaltungen der Reiter gelauscht, hatte vernommen, dass auch Giacomo die Burg verlassen hatte und niemand wusste, wo er sich jetzt befand, noch, wo er hin wollte.
Sie würde ganz allein sein. Niemand würde ihr helfen. Es war noch niemals vorgekommen, dass eine angeklagte Hexe freigesprochen worden wäre. Wer einmal vor die Inquisition treten musste, der war schuldig und basta. Ja, es war sogar gleichgültig, ob er oder sie gestand oder nicht. Und gestanden hatte bisher noch jede und jeder, denn spätestens unter den
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