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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Peter, Peter,
    Mit seiner freien Hand zog Robert unauffällig seinen Ärmel hoch, um auf die Uhr zu sehen. Zählte die Minuten, bis er endlich wieder gehen konnte, was tat er hier? Er konnte seinen Vater ohnehin nicht trösten. Konnte nur bei ihm aushalten: während die Mutter den Vater fütterte, ihm zu trinken gab, er haßte jede Sekunde im Krankenzimmer.
    Blieb aber dennoch. Gab seiner Ehe damit den Rest: mit seiner ständigen Abwesenheit, Philippa hatte sich kurz nach dem Tode des Vaters von ihm getrennt. Hatte nur aus Mitleid so lange gewartet: Das hatte sie ihm beim Abschied gesagt, seine Mutter hatte ihm zur Trennung gratuliert.
    Sei froh, mein Sohn, die hat ohnehin nie viel getaugt,
    Er war überrascht gewesen: Sie hatte sich vorher nie zu Philippa geäußert. Sagte überhaupt selten etwas zu Roberts Leben. Erkundigte sich am Telefon allenfalls oberflächlich nach seinem Befinden: um dann wieder von Gerhard zu sprechen, vielleicht ging sie davon aus, daß Robert ohnehin nichts zu erzählen hatte. Robert, der Dummerjan. Aus dem erstaunlicherweise doch etwas geworden war: Robert, der Architekt.
    Der vernünftige Langweiler, Robert ging in die Küche, auf der Suche nach einer Whiskyflasche.
    Goß sich Whisky ein, warum trank er schon jetzt? Während er Eiswürfel ins Glas klingeln ließ, um mit ihnen den Whisky, sein schlechtes Gewissen zu verdünnen, hörte er den Schlüssel im Schloß,
    »Robert? Bist du da, Robert?«
    Sie stand im Flur, winzig, zerbrechlich. Strahlend vor Freude,
    »Bist du endlich nach Hause gekommen«,
    Sie trug Jeans, eine Daunenjacke. Darunter ein schwarzes Hemd: das sie normalerweise nur abends anzog, darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Er ging zu ihr. Legte die Arme um sie, sie lächelte. Er zog sie an sich. Sie lehnte sich gegen ihn. Er begann, sie zu küssen, schmolz. Wurde schwach, schwindlig, schob die Hand unter das schwarze Hemd, sie löste sich von ihm. Trat einen Schritt zurück, er stand da: mit leeren Armen, pochendem Herzen. Mit der sehnsüchtigen Verwirrung eines Teenagers: die er zu verbergen suchte mit den Mitteln eines Teenagers, mit einem Lächeln, einer nonchalanten Wendung zur Küche, sie folgte ihm. Sah sein Glas, nahm sich ebenfalls Whisky,
    »Also! Jetzt erzähl mir erst mal, was eigentlich passiert ist. Erzähl mir alles von Anfang an, Robby«,
    Ihr Gesicht leuchtete noch immer vor Glück. Worüber war sie so glücklich? Er wollte nicht darüber nachdenken, sie saßen in der Küche am Tische Sie tranken. Er sprach: wie sie es verlangt hatte, sie hörte zu. Stellte Fragen, spekulierte,
    »Ob der junge Mann es wohl selber getan hat, Robert? Ob er die Frau wohl selber so zugerichtet hat, und dann tat es ihm leid«,
    War ein Kind, vor einem brennenden Haus. Ein überbehütetes Kind, gierig nach Katastrophen, er bemühte sich, nicht von seiner Angst zu reden. Sich an die Fakten zu halten: Aber er roch jetzt wieder den Schnee. Begann zu zittern, klemmte die Hände zwischen die Knie,
    »Und was hast du überhaupt dort oben gemacht, Robert? Mitten in der Nacht«,
    Erst der Nachhall ihrer Frage erreichte ihn. Er riß sich am Riemen: Sie wußte nichts von Julia. Er hörte sich von einem Ausflug erzählen. Von einer Fahrt durch die Berge, touristisch-ziellos, er wurde weitschweifig, weil er log. Er sah, wie ihr Blick verschwamm.
    Wie ihr Blick weich wurde, weit, schließlich den ganzen Raum umfaßte: in dem Robert jetzt nur noch ein Staubkörnchen war, sie sah zum Fenster hinaus. Ihre Augen begannen wieder zu strahlen. Sobald sie ihm nicht mehr zuhörte, begannen ihre Augen zu strahlen, worüber war sie so glücklich? Er wollte es nicht wissen. Wollte keinesfalls hören, was sie getan oder nicht getan hatte in seiner Abwesenheit,
    »Ich hätte dort oben sterben können, Natalie«,
    Aber warum sagte er das jetzt, zu ihr?
    »Ich habe an dich gedacht, Natalie, während ich dalag. Daran, was du getan hättest, wenn ich dort oben gestorben wäre. Was in dir vorgegangen wäre«,
    Er streckte die Hand aus, sie wich zurück. Er spürte den Whisky. Stand dennoch auf, ging um den Tisch herum. Beugte sich über sie, legte die Hände auf ihre Schultern, sie schob ihn weg. Stand ebenfalls auf. Lehnte sich an die Wand,
    »Sag mal, wie denkst du dir das eigentlich, Robert. Haust einfach nach Amerika ab. Fährst irgendwo herum, erzählst irgendwas, dann kommst du zurück und willst sofort ins Bett«,
    War so zart. War hauchdünn, etwas Teures aus Glas. Mit etwas Scharfem darin: Säure

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