Meeres-Braut
gewesen war. Ja, unter ihr schwebten sogar einige kleine Wolken, ganz so als wäre die Spalte mit ihrer Atmosphäre eine eigene Welt für sich.
Die Andeutung eines Felsenpfads führte den Hang der Spalte hinunter. Ida hatte zwar Angst davor, abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen, gemahnte sich aber, daß dies nicht passieren könnte, sofern sie nur vorsichtig waren. Der Weg führte zu einer flachen Höhle, die von oben nicht zu erkennen war und ihrerseits in eine richtige Höhle mündete, welche wiederum in eine Ritze führte, die es schließlich aufgab und sie durch einen Tunnel hinunter zum Spaltenboden leitete. Die Wände wurden von einem matten grünen Glühen beleuchtet, das von dem Schimmel ausging, der sie bedeckte.
»Das ist ein altes Wühlmausloch«, murmelte Gnade. »Dämonen brauchen natürlich keine Tunnels, deshalb haben sie diesen hier ignoriert. Aber ich habe ihn eines Tages entdeckt, als ich mal eine Wühlmaus geärgert habe.«
»Ach ja?« machte Mela. »Ich dachte, die Wühlmäuse hätten Xanth schon vor tausend Jahren verlassen.«
»Ist das tatsächlich schon so lange her? Ich muß wirklich ziemlich vergeßlich sein.«
Ida grübelte. Könnte es sein, daß die Dämonin tatsächlich tausend Jahre alt war? Es schien durchaus möglich.
»Wie weit ist es denn bis zu Naga?« erkundigte sich Mela.
»Ach, nur ein paar Tagesmärsche durch das Labyrinth. Kein Problem.«
Ida und Mela tauschten bestürzte Blicke. Es mochte vielleicht kein Problem für eine Dämonin sein, die sich ohnehin im Nu dorthin befördern könnte, aber für sie würde es kein Vergnügen werden. Zum einen: Was sollten sie unterwegs denn essen? Sie wußte nicht, wie lang ihr magisches Brot noch vorhalten würde. Außerdem behagte ihr die Vorstellung nicht, in einem ständig dunklen Tunnel auf kaltem Stein schlafen zu sollen. Und wer wußte schon, welche Ungeheuer in dieser Gegend lauern mochten?
»Gibt es hier unten irgendwelche Flüsse?« fragte Okra.
Ein Fluß! Das war schon wesentlich anziehender als trockene Tunnels. Sie könnten sich ein Boot bauen und sich treiben lassen, womit sie auch ihre Füße schonen würden.
»Ja, in den Höhlen gibt es haufenweise Flüsse«, antwortete das scheinbare Streichholzmädchen. »Warum?«
Ida und Mela erklärten es ihr. Metria sagte ihnen, wo sie etwas Treibholz finden konnten, und so machten sie sich auf den Weg und schleppten es ans Wasser. Dieses Wasser hatte seinen eigenen mattblauen Schimmer, der sich vom Grün der Wände abhob. Auf eine düstere Art war es eigentlich ganz hübsch.
Okra benutzte ihre Ogerkraft, um das Holz in neue Formen zu biegen und es zusammenzuweben, um daraus ein Floß herzustellen. Es stellte sich heraus, daß sie dabei sehr geschickt war, und schon bald hatten sie nicht nur ein gewöhnliches Floß, sondern ein einfaches Hausboot mit einem hölzernen Dach.
»Wenn wir jetzt nur noch etwas zu essen hätten«, meinte Ida.
»Ach ja, stimmt. Sterbliche essen ja gern.«
»Und Streichholzmädchen auch«, erinnerte Mela sie entschieden.
»Schön, im Fluß gibt es einige blinde Fische, dazu Wasserkastanien und Wasserkekse sowie Wasserkaramellen« sagte die Jungfer.
»Ach, lecker!« meinte Mela. Sie legte sich auf das Floß und schob das Gesicht über den Rand, steckte den Kopf ins Wasser. Im nächsten Augenblick ließ sie ihre Hand vorschießen und holte sie mit einem Fisch wieder hervor. »Er hat mich nicht gesehen«, meldete sie. »Ich werde meinen Wasserscheit entzünden und ihn kochen.«
Ida und Okra konnten einige Kastanien pflücken, dazu Kekse und Karamellen, die sich am flachen Ufer des Flusses fanden. Bald hatten sie genug für eine Mahlzeit zusammen.
Unter dem Dach war es recht gemütlich. Der brennende Wasserscheit erwärmte es, während er zugleich den Fisch buk und die Kastanien und Kekse röstete.
Plötzlich ertönte ein Brüllen. Die drei Reisenden fuhren beunruhigt hoch. »Was ist das denn – ein Wasserfall?« fragte Mela.
»Nein, nur ein Wasserdrachen«, erwiderte die Dämonin.
»Ist der gefährlich?«
»Nur für Sterbliche.«
»Wir sind doch Sterbliche!«
»Ach, stimmt ja. Das hatte ich ganz vergessen. In diesem Fall steckt ihr ziemlich in Schwierigkeiten.«
Sie spähten aus der Tür der Floßkabine. Draußen war der glühende Umriß des zahnigen Kopfs eines Drachen zu erkennen. Er stand gerade im Begriff, das Floß auseinanderzubeißen.
Okra packte den brennenden Wasserscheit an seinem nichtbrennenden Ende und schleuderte ihn dem
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