Meeres-Braut
Brücke. Sie war zwar schmal, sah aber stabil aus. Jenny trat darauf zu.
»Warte«, sagte Che. Er nahm einen Stock und stach damit nach den Brettern. »Das habe ich befürchtet.«
»Was hast du befürchtet?« wollte Jenny wissen.
»Die ist nicht feststofflich. Schau mal, der Stock läßt sich ohne Widerstand hindurchbohren.«
»Aber die Karte hat sie doch aufgelistet!« wandte Gwenny empört ein. »Das darf überhaupt keine Illusion sein!«
»Ist es auch nicht. Es ist eine Einweg-Brücke – nur daß sie in die entgegengesetzte Richtung führt.«
»Aber wir müssen doch weiterkommen!«
»Ich weiß nicht genau, wie sie funktioniert«, bemerkte Che. »Ich habe den Verdacht, daß irgend jemand sie vor kurzem benutzt hat und daß sie sich nach Gebrauch umkehrt, damit der Betreffende zurückkommen kann, oder auch nur, um der anderen Richtung Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir sind lediglich zur falschen Zeit hier angekommen.«
Gwenny stampfte mit ihrem zarten Fuß auf. »Ach, das ist ja vielleicht frustrierend! Wenn ich nicht Häuptlingstochter wäre, würde ich jetzt etwas sehr Unanständiges sagen.«
»Vielleicht könnte Jenny es ja statt dessen sagen«, schlug Che vor. »Sie ist nicht von königlichem Geblüt, soweit wir wissen. An was für einen Ausdruck hast du denn gedacht?«
»Mäuseplage. Vielleicht sogar…«
»Rattenpest!« rief Jenny.
Die Brücke erzitterte vor diesen unanständigen Ausdrücken. Gwenny kicherte und fühlte sich schon besser.
Trotzdem konnten sie nicht auf die andere Seite. Was sollten sie tun? Alle drei Brücken waren ihnen verwehrt, und der Tag neigte sich seinem Ende entgegen.
»Wenn ich uns noch leichter mache, könnten wir vielleicht den Klippenhang hinunterspazieren«, meinte Che. »Fallen könnten wir dann nicht, oder wenn wir es täten, würden wir so leicht aufkommen, daß wir uns nicht verletzen.«
»In dem Fall könnten wir auch einfach springen«, wandte Jenny ein.
Gwenny überlegte. »Ich schätze, das ist die einzige Möglichkeit.«
Sie stellten sich am Rand der Spalte auf, bereit, sich leichtmachen zu lassen. Da kam ein Windstoß, gefolgt von einem weiteren.
»Ich habe mir gerade etwas überlegt«, sagte Jenny. »Wenn wir federleicht geworden sind, könnte uns dieser Wind dann nicht davonwehen?«
»Das könnte er leider«, pflichtete Che ihr bei. »Ich fürchte, daß der von uns gewählte Zeitpunkt mal wieder unglücklich ist.«
»Aber es muß doch irgendeinen Weg geben!« rief Gwenny. »Wir müssen unbedingt das Schloß des Guten Magiers erreichen.«
»Vielleicht können wir die Spalte ja umgehen«, überlegte Che. »Der Karte zufolge endet sie am Wasser.«
»Und wie wollen wir dann das Wasser überqueren?« fragte Jenny.
»Wir müssen uns ein Floß oder ein ähnliches Fahrzeug bauen«, erklärte Che. »Das müßten wir eigentlich in einem Tag schaffen, sofern wir geeignete Materialien finden.«
»Ach, das wird vielleicht kompliziert!« jammerte Gwenny.
»Ich könnte auch ein Flügelungeheuer herbeirufen«, erbot sich Che.
»Nein! Ich muß das aus eigener Kraft schaffen, sonst zählt es nicht. Ich meine, mit deiner und mit Jennys Hilfe, aber nicht mit der von Erwachsenen oder Ungeheuern. Sonst werde ich nicht haben, was man braucht, um Häuptling zu sein, und kann ebensogut aufgeben.«
»Wir schaffen das schon«, meinte Jenny aufmunternd.
Also gingen sie nach Westen weiter, und als der Tag endete, erreichten sie die Meeresküste. Sie suchten sich etwas zu essen und entdecken einen Pastetenbaum mit einer überreifen Kirschpastete und einer etwas matschigen Schokoladenpastete.
Che entdeckte einen verlassenen Schuppen und ein paar alte Kissen. Auf dem Schuppen schien ein alter Entwanzungszauber zu liegen, weil es im Inneren keine Wanzen gab. Sie machten es sich zur Nacht so gemütlich, wie sie nur konnten, wobei sich die beiden Mädchen rechts und links neben den kleinen Zentauren legten. »Ich will mich ja nicht beklagen«, meinte Gwenny, »aber irgendwie habe ich mir nie Gedanken über die mühseligen kleinen Einzelheiten des Abenteurerlebens gemacht. Zu Hause ist es wirklich bequemer.«
»Es ist jedenfalls besser, als Gefangener der Kobolde zu sein«, meinte Jenny. »Ich meine, als das Koboldreich…«
»Ich weiß schon, was du meinst«, unterbrach Gwenny sie. »Männliche Kobolde sind brutale Kerle! Deshalb muß ich ja auch Häuptling werden, wenn ich das kann. Dann werden wir versuchen, zivilisiert zu sein.«
»Ich glaube, es ist mein
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