Meeres-Braut
da sollte er aber bald hier sein, sonst hast du verloren. Wäre doch furchtbar, ha, ha!« Und die Gefolgsleute stimmten in sein grobes Gelächter ein.
Mela kehrte zurück. »Irgend jemand hat das Schild verändert« sagte sie empört. »Jetzt steht darauf HÄUPTLINGSWETTKAMPF – BERG RUHESANFT.«
»Berg Ruhesanft!« rief Gwenny. »Aber der ist doch ganz weit entfernt von hier!«
»Naldo muß das Schild gefunden und zum anderen Berg davongeglitten sein«, meinte Ida, als sie begriff, welch abscheuliche Untat hier stattgefunden hatte. »Da wird er unmöglich rechtzeitig wieder hier sein können!«
»Das ist wieder so eine ekelhafte Betrügerei meines Bruders« sagte Gwenny niedergeschmettert.
»Aber dann haben wir ja gar keinen Kämpfer«, wandte Jenny ein.
»Mittagszeit!« rief Gobbel jubelnd. »Komm schon, Trümmer. Zeit für das Geprügel!«
Okra, die neben Ida stand, vollführte einen kleinen Sprung. In der allgemeinen Aufregung bemerkte ihn niemand, nur Ida fragte sich, was wohl die Ursache dafür sein konnte. Deshalb erkundigte sie sich danach. »Weshalb hast du denn einen Satz gemacht?«
»Trümmer – das ist der Oger, den ich heiraten sollte! Er war unterwegs nach Süden, als ich von Zuhause weggelaufen bin.«
»Ach, dann triffst du ihn hier ja auf halber Strecke. Das ist doch nett.«
»Aber ich bin doch vor ihm weggelaufen«, wandte Okra ein. »Das wird ihm nicht gefallen.«
»Vielleicht weiß er es überhaupt nicht, weil er ja noch gar nicht den Ogersee erreicht hat.« Das leuchtete ein.
Der Oger zermalmte seinen letzten Knochen und stampfte in die Mitte der Höhle. »Ich hau, mach Radau!« grunzte er und schlug sich mit seinen klobigen Fäusten gegen die haarige Brust. Dann zog er seine Keule aus dem Rückengeschirr und wedelte damit herum.
Ida war angewidert. Aber sie bemerkte, wie Okra sich mit der Zunge über die Lippen fuhr. Geschmäcker waren aber wirklich verschieden!
»Na, wo ist dein Kämpfer?« wollte Gobbel wissen. »Wenn er nicht hier ist, kriegt Trümmer eben deine Knochen als erstes zu zermalmen, Schwesterchen!«
Das Schlimmste daran – es war nicht einmal ein Witz! Denn es gehörte nun einmal zum Wesen der Koboldmänner, schrecklich zu sein, und zum Wesen der Ogermänner, Leute aufzufressen. Gwennys Leben hing wirklich an einem seidenen Faden.
»Du hast das Schild ausgetauscht!« warf sie ihm vor.
»Na und? Also zeig uns jetzt deinen Kämpfer, oder du verlierst« erwiderte Gobbel triumphierend. Es war offensichtlich, daß er alles geplant hatte. Die Mädchen waren vertrauensselig gewesen, während der Lausebengel ohne zu zögern betrogen hatte. Ida erkannte, daß es wirklich besser für die Kobolde wäre, von einem weiblichen Häuptling regiert zu werden.
»Dann muß ich es eben selbst tun«, sagte Gwenny tapfer. »Immerhin habe ich den Zauberstab.«
»He, keinen Stab!« schrie Gobbel. »Das ist Distanzmagie! Die ist verboten!«
»Ach nein, er hat recht«, meinte Gwenny traurig.
»Soll das heißen, daß er betrügen darf und du nicht?« fragte Mela.
»Ich habe ihn nicht rechtzeitig beim Betrügen erwischt«, erläuterte Gwenny. Sie überreichte Godiva den Stab.
»Nein, das darfst du nicht!« sagte Jenny Elfe. »Ich werde es tun!« Sie trat in die Mitte hinaus.
»He, da kommt ja Vierauge!« rief Gobbel. »Nur daß sie jetzt auch noch blind ist wie ‘ne Fledermaus! Was für ein Spektakel!«
»Sie kann nichts sehen?« fragte Okra.
»Sie hat ihre Brille verloren und hatte noch nicht die Zeit, sich eine neue zu beschaffen«, erklärte Che. »Sie kann zwar auf besondere Weise sehen, aber das wird ihr gegen den Oger nichts nützen.«
Mela warf Okra einen traurigen Blick zu. »Es sieht so aus, als würde dein Wunsch gleich erfüllt werden. Dann bist du Jenny Elfe los.«
Plötzlich trat Okra vor. Sie packte die Elfe am Kragen und schleuderte sie aus der Arena. »Verschwinde, Mädchen. Ich mache das.«
Erstaunt wollte Ida protestieren. »Aber das ist doch gar nicht dein Streit, Okra! Dir ist die Koboldnachfolge doch gleichgültig, und du hast auch einen guten Grund, Jenny Elfe nicht zu helfen! Und außerdem kannst du sowieso nicht gegen Trümmer ankommen! Das kann keine von uns!« Doch noch während sie sprach, erkannte sie, daß es doch möglich sein könnte.
Okra beugte sich vor, um die Rokhkralle aufzunehmen, die sie mitgebracht hatten. »Es ist eine schmutzige Aufgabe, aber irgend jemand muß es ja tun.« Und so schritt sie auf Trümmer zu.
Der männliche Oger
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