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Meeres-Braut

Titel: Meeres-Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
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Heißwasserteich zu ertränken. Dann kümmerte sie sich um Okra, wie Okra für sie gesorgt hatte, und als der Tag zur Neige ging, fühlte Okra sich schon besser. Sie nahmen eine Mahlzeit aus frischer Kokosnußmilch zu sich, aus Brotfrucht und einer Vielzahl von Buttersorten, die sie den am Strand wachsenden Butterblumen entnahmen.
    Am folgenden Morgen ruderte Okra sie ans Westufer hinüber. Mela benutzte ihre Opale als Scheinwerfer, um einen sicheren Weg zu finden, der sie über einen Berg von Sanddünen führte, hinunter in eine riesige Höhle mit magischen Quellen, einem unterirdischen Fluß und einer Kolonie von Süßwassermeeresleuten. Sie besaß ein kleines Handbuch in ihrer unsichtbaren Tasche, in dem die Aufenthaltsorte verschiedener Meeresleutestämme standen, und hier in der Gegend sollte es eine solche Kolonie geben. Denn sie verließ sich darauf, daß diese Vettern ihr schon mitteilen würden, wie sie das Schloß des Guten Magiers erreichen konnte. Zwar hatten die Süßwasserbewohner nicht allzuviel mit den Salzwasserleuten zu tun, aber Meeresleute waren nun einmal dazu verpflichtet, anderen Meeresleuten behilflich zu sein.
    Allerdings gab es einige Einzelheiten, die in Melas Handbuch nicht erwähnt wurden. Nachdem sie mehrere Sanddünen zurückgelegt hatten, blieben sie am Wegesrand im Schatten eines Mischwalds aus Strandschirmbäumen, Dudelsackbüschen, Nelken- und Damenfingerbäumen sowie Palmen stehen. Die Schirme boten Schatten, die Dudelsäcke spielten eine quirlige Musik, während die Damenfinger delikate Gesten machten, welche die Palmen zum Schwitzen brachten. Okra schwitzte auch, weil sie ihr ochsenblutrotes Boot mit sich trug, das um so schwerer wurde, je höher sie kletterten. Das war natürlich Bestandteil der Magie von Höhen: Sie machten alles schwerer.
    Okra und Mela entdeckten einen Gesundheitsquell und tranken daraus. Dann wurde der Weg immer schmaler, und sie mußten das Boot neben dem Quell liegen lassen, um dem gewundenen Felsenpfad zu folgen, der sich bald in einen weißen Bruchmarmorweg verwandelte. Sie erreichten einen zauberhaften alten Gartenschuppen, wo sie eine Rast einlegten. Mela konnte nicht widerstehen und pflückte einen silbrig schimmernden Webschal von einem nahegelegenen Spanischen Schalbusch, während Okra hier und dort an den Bonbons eines Rosaminzenkandisbaums knabberte. Es schien, als hätten sie alle Sorgen hinter sich gelassen, so daß sie nun völlig sorglos waren.
    Mela kannte ein Lied, das sie Okra beibrachte: die Sage vom Schlafenden Drachen. Die Sonne über ihren Köpfen schien beim Lauschen langsamer zu werden. Da entdeckten sie einige Zeitkrautpflanzen ganz in der Nähe und begriffen, daß die Gegenwart einer größeren Anzahl dieser Kräuter die Zeit hier langsamer verlaufen lassen konnte, was den Tag verlängerte. Es war also nicht nur ihre Einbildung. Sie konnten sich hier so lange entspannen, wie sie wollten, während draußen tatsächlich nur wenig Zeit verstrich.
    Doch schon bald machten sie sich wieder auf den Weg, als ihnen klar wurde, daß die verlangsamte Zeit auch eine gute Möglichkeit darstellte, schneller ans Ziel zu gelangen. So wanderten sie weiter durch die prächtigen Farben, Symmetrien, die Musik, die Geschmäcker, Gerüche und Gefühle dieser Region. Alles sprach ihre Sinne außerordentlich an.
    »Ahhh, ohhh«, seufzte Mela, als sie schließlich einen Kristallgarten entdeckten, der von süßlich duftenden weißen Felsrosen, winzigen Papiernarzissen und sanft mähenden weißen Flachspflanzen überdeckt war. Selbst Okra, die doch ziemlich ungeübt in der Würdigung von Schönheit war, lernte schnell dazu. Ein kleiner Kristallquell blubberte und sang vom Gipfel des winzigen Kristallbergs herab, um sich durch kleine Windungen und Felsbuchten in den darunterliegenden Kristallteich zu ergießen. Alles war vollkommen, bis auf eine winzige Einzelheit: die kleine, eingefrorene Gestalt einer jungen Menschenfrau, die in einem großen Block aus Kristall gefangen war, mit dem die Tür des Gartenschuppens aufgedrückt wurde.
    Sie musterten die Gestalt. Es war eine ziemlich hübsche Kreatur, die ein fahlwasserfarbenes Kleid aus Chiffon und goldene Filigransandalen trug.
    »Das gefällt mir aber gar nicht«, flüsterte Mela und packte dabei Okras Arm nervös, am ganzen Leib zitternd. »Mal angenommen, wir beide fallen auch in diesen Kristall und bleiben ewig hier als Gefangene der Zeit? Wir müssen sofort von hier weg!«
    »Aber was ist mit diesem armen,

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