Meeres-Braut
kleinste und schwächste aller Oger, aber das hier waren bloß Gieks. Schon bald hatte Okra sie in ausreichendem Maß über die Gegend verstreut; die würden sie jetzt eine Weile in Ruhe lassen.
Dann kehrte sie zum Zelt zurück, um sich um Mela zu kümmern. Der Giek hatte mehrere Wanzen auf sie angesetzt, die soeben mit ihrem Festschmaus begonnen hatten. Auf Melas Gesicht, Händen und Brüsten waren rote Blutstreifen zu erkennen. Das Schlimmste an der ganzen Sache war, daß sie immer noch schlief; die Bisse der Wanzen waren schmerzlos, so daß Mela nicht einmal merkte, daß man ihr das Blut aus dem Leib saugte.
»Mela, aufwachen!« sagte Okra drängend.
Da erwachte die Meerfrau. Sie spürte die Wanzen auf ihrem Leib, blickte zu ihnen herab und schrie los: »Iiiieeehh!!!!«
Okra erschrak. Sie hatte noch nie einen Ausruf mit vier Ausrufezeichen vernommen, aber die waren nun unverkennbar da, wie kleine Keulen. Dann trat sie in Aktion, zupfte die Wanzen von Mela ab und zerquetschte sie mit Hieben ihrer Miniaturpranken. Dann nahm Okra ihren Rucksack auf und führte Mela hinaus. Die Meerfrau war immer noch geschwächt und benommen, nachdem sie einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Kraft für die Herstellung dieses hervorragenden Ausrufs verwendet hatte. Sie würde noch weiterer Fürsorge bedürfen, doch zunächst mußten sie sich einen sicheren Platz suchen.
Mela blinzelte, als sie hinaustrat und sich umblickte. »Bäh«, machte sie in einem Viertelpunkt-Ausruf, der kaum zu vernehmen war. »Was haben denn diese Dinger auf den Ästen zu suchen?«
»Das sind Gieks«, erklärte Okra. »Ich habe sie aufgefordert, uns aus dem Weg zu gehen.«
»Ach so.« Dann heftete sich Melas Blick schwach auf das Boot. »Bäh.« Dieser Schrei war schon ein wenig besser ausgeprägt und emphatischer als der letzte, hielt aber noch immer keinem Vergleich mit dem ersten Ausruf stand.
Okra nahm das Boot auf und schüttelte es durch, bis die Wahnwanzen ins Wasser fielen. Mela beruhigte sich sichtlich.
Sie ließen die gefährliche Bucht hinter sich und ruderten ins tiefe Wasser hinaus. Glücklicherweise war keine Spur von Fracto mehr zu sehen; der Spätnachmittag war ausgesprochen schön.
Okra zog die Ruder ein und wühlte in ihrem Rucksack nach ihrer Erste-Hilfe-Ausrüstung. Das war noch so ein unogerhafter Gegenstand, den sie sich zugelegt hatte. Denn die meisten Oger schenkten Schmerzen keine Beachtung und Wunden schon gar nicht. Okra betupfte die Wanzenbisse mit Salbe, konnte aber nicht allzuviel ausrichten. Mela hatte schon zuviel Blut verloren. Selbst die Zwillingsfeuerwasseropale, die sie an einer Kette um den Hals trug, wirkten ermattet.
Also tat Okra das beste, was ihr dazu einfiel: Sie ruderte zur Insel zurück. Dort umging sie die Sandfalle und schleppte Mela zu dem Heißwasserteich, wo sie sie abwusch. Dann begann Mela sich zu erholen, denn ein heißes Bad hatte auf alle Frauen eine magische Wirkung. Ihre stumpfen Strohsträhnen wurden wieder zu goldenen Zöpfen, die sich unter Wasser in ein hübsches Grün verwandelten.
Okra fand ein zeitiges Zeitkraut und eine medizinische Minzenpflanze. Sie tauchte sie in einen Becher mit heißem Wasser und braute erst einen, dann zwei Tees daraus. Diese Tees gab sie Mela zu trinken, was ihre Besserung deutlich beförderte. Dann legte Okra sie auf Kissen und sang ihr Ogerlieder vor, bis sie einschlief. Leider konnte sie sich nur an »Ich wünsch dir zum Geburtstag alles Gute« erinnern.
Ein seltener blauer Mond ging auf. Okra bewunderte seine Farbe; es war das erste Mal, daß sie den Mond in dieser Tönung erblickte. Sie wünschte sich, daß sie etwas Blaukäse von ihm abschneiden könnte, aber so hoch konnte sie nicht hinauf greifen. Dann schlief auch sie, bereit, beim geringsten Anzeichen von Gefahr aufzuwachen.
Am Morgen fühlte Mela sich schon besser, Okra jedoch ging es schlechter. Sie war kaum dazu in der Lage, das Rudern wiederaufzunehmen. Und doch schnaufte sie nicht. Was war nur los mit ihr?
»Laß mich die Sache mal überprüfen«, meinte Mela. »Leg deinen Rucksack ab.« Sie half Okra dabei. »Ha! Habe ich es mir doch gedacht. Du hast eine Wanze an dir.«
Tatsächlich befand sich an Okras Rücken eine Wanze, hinter dem Rucksack versteckt, den sie über Nacht nicht abgelegt hatte. Die Wanze mußte in den Rucksack gekrochen sein, als Okra sich mit den Gieks beschäftigte, um sich dann im Schlaf über sie herzumachen.
Mela bereitete es Vergnügen, die Wanze in dem
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