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Meeres-Braut

Titel: Meeres-Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
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etwas Unaussprechliches zu erledigen?« fragte sie ihn.
    Der Kobold musterte sie, dann ließ er den Blick durch die Landschaft schweifen. »Hinter dem Busch dort«, sagte er und zeigte darauf.
    Also ging Ida hinter den Busch. Dann passierte etwas. »Iiiieeehh!« schrie sie nach jener Art, wie sie der Zentaur für Maiden – wie er auch sie klassifizierte – vorgeschrieben hatte.
    Wütend kehrte sie zu dem Weg zurück, wo der Kobold in stoischer Ruhe auf sie wartete. »Dieser Busch hat mich gekitzelt!« sagte sie.
    »Natürlich. Das ist schließlich ein Kitzelbeerenbusch!«
    »Aber ich habe dich nach dem schlimmsten Platz gefragt. Du hättest doch lügen müssen«, sagte sie empört.
    »Ich habe auch gelogen«, erwiderte er. »Denn der schlimmste Platz ist dieser Stachelbeerstrauch dort hinten.«
    Darüber dachte Ida nach, bis sie zu dem Schluß gelangte, daß der Kobold sich tatsächlich seinem Wesen entsprechend verhalten hatte. »Und welches ist der schlimmere Weg von den beiden dort?« fragte sie und zeigte auf die Gabelung.
    Der Kobold dachte nach. »Das ist schwer zu beantworten.«
    »Weshalb? Du brauchst doch bloß zu lügen, was den besseren Weg angeht.«
    »Die sind aber beide genauso schlecht.«
    Das bedeutete genauso gut. »Also schön, ich ziehe die Frage zurück. Verzieh dich, Rotzlöffel.«
    Offensichtlich angenehm berührt von ihrer Höflichkeit, setzte der Kobold seinen Weg fort.
    Ihre Idee hatte also funktioniert. Das taten die öfters. Aber wahrscheinlich schuldete sie den größten Teil ihres Erfolgs der klugen Unterweisung Zerebrals. Sie hatte auch die Idee gehabt, das er der bestmögliche Lehrer sein würde, als sie ihn das erstemal erblickte, und das hatte sich mehr als bestätigt. Normal ausgedrückt bedeutete das, daß er gut gewesen war.
    Sie nahm den rechten Weg, weil sie nicht den falschen nehmen wollte. Sie vertraute darauf, daß er sie schon dort hinführen würde, wo sie hin wollte. Tatsächlich führte er sie zu einer süßen kleinen, alten Hütte, gerade als die Abenddämmerung sie einzuholen drohte. Vielleicht lebte dort ja eine süße kleine, alte Hausfrau, die noch ein Zimmer für die Nacht frei hatte, während auf dem Herd ein Topf mit warmer Suppe stand.
    Ida klopfte an die Tür. Als die Tür sich öffnete, erblickte sie eine großmütterliche Frau. »Ach, ich hatte mir schon so sehr gewünscht, daß eine nette junge Reisende heute nacht mein freistehendes Zimmer in Anspruch nehmen würde«, meinte die Frau. »Komm herein, Liebes, und iß einen Teller warme Suppe.«
    Dankbar trat Ida ein. »Dein Haus stand gerade am richtigen Fleck«, meinte sie. »Ich hatte gehofft, daß ich nicht draußen im Wald schlafen müßte.«
    »Bist du eine leise Schläferin?«
    »Nein, ich wälze mich die ganze Nacht herum. Ich bin hyperaktiv.« Das war das Zentaurenwort für ihre Unruhe gewesen.
    »Wunderbar!«
    Es stellte sich heraus, daß der alte Mann der alten Frau eine Reise zum Markt unternommen hatte und erst am Morgen mit einem Korb voll Bohnen zurückerwartet wurde. Bis dahin war es sehr leise im Haus, woran die alte Frau nicht gewöhnt war. Sie wollte gern hören können, daß jemand bei ihr im Haus war, vor allem nach Einbruch der Dunkelheit.
    Nach dem Abendessen saßen sie gemeinsam am Feuer und tauschten Neuigkeiten aus. Glücklicherweise verließ die Frau niemals Haus und Hof, und da auch Ida noch nie die nähere Umgebung ihres Heims verlassen hatte, hatten die beiden nicht allzu viele Neuigkeiten auszutauschen. Ida war müde, und die alte Frau blieb nie lange auf, und so zog sich jede zufrieden zum Schlafen in ihr Zimmer zurück.
    Doch als Ida ihr Nachthemd anzog und sich zu Bett legte, begann sie plötzlich unter Vorbehalten zu leiden. Vorbehalte waren klettenartige Gedanken, die sich von hinten an einen heranschlichen, einen umklammerten und sich erst als solche offenbarten, wenn es wirklich ruhig geworden war – zum Beispiel, wenn man gerade versuchte einzuschlafen.
    Angenommen, so fragte einer der Vorbehalte, es war hier nicht alles so, wie es zu sein schien? Könnte es nicht sein, daß die nette kleine, alte Frau vielleicht irgendein sehr unnettes Geheimnis hatte, von dem sie nicht erzählte, was ihrem Gast zum Schaden gereichen würde? Ida gefiel diese Idee nicht, vermochte sie aber auch nicht auszumerzen. (Ausmerzen bedeutete in Menschensprache, etwas loszuwerden.) Sie sorgte sich darum, was die Dunkelheit enthüllen mochte.
    Und tatsächlich – kaum hatte sie die Kerze

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