Meeres-Braut
ausgepustet, als auch schon ein Gespenst vor ihr aufragte. »Huuuuhh!« schrie es luftig und flatterte mit seinen Lakenschößen.
Ida fuhr unter die Decke. »Iiiiich bin es nur«, erwiderte sie entschuldigend.
Das Gespenst wirkte verlegen. »Entschuldigung! Ich habe dich mit dem schmutzigen alten Mann verwechselt.«
»Schmutzig?«
»Er wäscht sich nie die Füße. Das macht die Laken immer dreckig. Ich kann es nicht mitansehen, wenn man Laken mißhandelt. Deshalb suche ich ihn auch nachts heim.« Vor dem Spiegel schwebend, reflektierte das Gespenst einen Augenblick. »Wie sind denn deine Füße?«
»Meine Füße sind sauber«, erwiderte Ida. Sie schob einen Fuß unter dem Laken hervor. »Maiden sollen zierliche Füße haben, deshalb versuche ich, dem zu entsprechen.«
Das Gespenst untersuchte sie eingehend. »Du hast recht. Das sind wirklich sehr saubere, zierliche Maidenfüße. Wann kommt denn der schmutzige alte Mann zurück?«
»Morgen, glaube ich.«
»Dann bis morgen…« Das Gespenst verblaßte.
Erleichtert legte Ida sich schlafen. Sie war ja so froh, daß sie ein nettes Gespenst erwischt hatte.
Am Morgen sprach sie zu der alten Frau über die Sache. »Wußtest du eigentlich, daß du ein Gespenst im Haus hast?«
»Ein Gespenst? Ich dachte, es wäre eine Gespielin! Er ist nämlich ein schmutziger alter Mann, mußt du wissen.«
»Ja. Seine Füße machen immer die Laken schmutzig, und das gefällt dem Gespenst nicht.«
»Na, den werde ich schon noch dazu bringen, sich die Füße zu waschen!« meinte die alte Frau. »Ich mag nämlich auch keine schmutzigen Laken.«
Nach einem netten Frühstück aus Bohnenbrei setzte Ida ihren Weg fort. Sie fragte sich, was wohl auf dem anderen Weg passiert wäre. Fast war sie versucht zurückzukehren, um den anderen zu nehmen, nur um es herauszufinden, doch sie beherrschte sich. Denn je eher sie das Schloß des Guten Magiers entdeckte, um so früher würde sie um ihr Schicksal und ihr Glück wissen. Sie hoffte, daß es nett war, denn sie war ja auch ein nettes Mädchen.
Doch der Weg führte nicht direkt zum Schloß. Statt dessen führte er zu einem Drachennest. Fast wäre Ida hineingetreten, als sie es gerade noch rechtzeitig merkte. Sie wich zurück. Im allgemeinen galten Drachennester nicht als besonders guter Aufenthalt, jedenfalls nicht für jene, die nicht von drachischem Wesen waren. Nun würde sie doch noch umkehren müssen, um den anderen Weg zu nehmen, obwohl es schon ziemlich weit war. Immerhin würde das wenigstens ihre Neugier befriedigen.
Da legte sich der Schatten eines Drachen auf sie, gefolgt von dem Drachen selbst. Zufälligerweise hatte er Ida den Fluchtweg abgeschnitten. »Nun«, meinte der Drache. »Gestatte mir, daß ich mich vorstelle. Ich bin Dragoman Drache. Wen haben wir denn hier?«
»Nichts anderes als eine zierliche Maid«, erwiderte Ida wahrheitsgetreu.
»Und weißt du auch, was ich mit zierlichen Maiden anzustellen pflege?«
Ida hatte eine Ahnung, die von ihren Erinnerungen an die Drachen herrührte, die im Nymphental Nymphen gewildert hatten. Doch sie wußte auch, daß ihr magisches Armband sie vor allem Schaden bewahren würde. »Ich glaube, diese hier wirst du schon ziehenlassen müssen, denn du kannst mir nicht schaden.«
Der Drache blinzelte zu ihr herab. »Ach ja? Warum denn nicht?«
»Weil ich einen Zauber dabeihabe, der mich beschützt.«
»Du bist wirklich höchst bezaubernd«, pflichtete Dragoman ihr bei. »Aber zufälligerweise sammle ich nun einmal liebliche Maiden.«
»Nein, ich habe nicht gesagt, daß ich bezaubernd bin, obwohl das vielleicht stimmen mag. Ich habe gemeint, daß ich ein Amulett an mir trage.«
Der Drache überlegte. »Das verlangt doch nach einer gewissen Exegese. Darf ich es mal sehen?«
»Gewiß.« Ida streifte das Armband ab und reichte es dem Drachen.
Dragoman inspizierte es genau. »Du hast recht. Dieser Zauber wirkt gegen alle Gegner. Wer ihn trägt, dem kann keine Kreatur schaden.«
»Ja, das hat man mir auch mitgeteilt. Darf ich ihn jetzt zurück haben, bitte?«
Der Drachen stieß eine kleine Rauchwolke aus. »Es gibt da etwas, was ich dir erklären muß. Denn im Augenblick trägst du diesen Zauber nicht an dir, so daß ich mit dir verfahren kann, wie es mir beliebt. Wenn ich dir den Zauber zurückgebe, werde ich nicht mehr dazu in der Lage sein, dir zu schaden. Irgendwie hege ich doch Zweifel daran, daß es meinen Interessen sonderlich entspräche, dir den Zauber wieder
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