Meeres-Braut
Sammy und der Steinhund beschnüffelten sich.
»Ich bin Alister«, antwortete der Mann. »Und das ist mein Hund Murmel. Wir wollen den Guten Magier danach befragen, wie wir ein magisches Talent für meinen Vater finden können. Mein Talent besteht darin, Dinge zu finden. Ich kann alles finden außer Antworten.«
»Das ist auch Sammys Talent!« rief Jenny. »Der kann alles finden bis auf sein Zuhause.«
Alister war überrascht. »Ich dachte, es gibt niemals zwei Leute mit demselben Talent.«
»Sammy ist ja auch ein Tier.«
»Ach so. Dann ist das wohl in Ordnung. Ich hatte schon befürchtet, daß wir in der falschen Zeit wären oder so etwas.«
»Es sind schon merkwürdigere Dinge passiert«, bekräftigte Che.
»Tatsächlich habe ich mich unterwegs ein wenig amüsiert, denn ich weiß ja, daß dieser Weg zum Schloß des Guten Magiers führt. Ich wollte mal feststellen, ob ich auf dem Weg auch besondere Dinge finden kann, ohne vom Pfad abzuweichen. Diesmal hatte ich mich für das hübscheste Mädchen in der ganzen Region entschieden. Wie ich sehe, ist mein Talent völlig funktionsfähig.« Wieder musterte er Gwenny.
Und wieder hatte sie das unerhörte Unglück, in diesem Augenblick von einer weiteren Schüchterfliege gestochen zu werden. Und wieder machte ihr das Erröten jedes Sprechen unmöglich. Ach, wie peinlich ihr das doch war!
Dann setzten sie ihren Marsch in Richtung Nordosten fort, während Alister und Murmel nach Südwesten weitergingen. Gwenny fragte sich, ob sie nicht vielleicht tatsächlich in der falschen Zeit waren. Wie seltsam das doch wäre, Leuten zu begegnen, die in eine andere Zeit gehörten!
»Crombie der Soldat findet übrigens auch Dinge«, bemerkte Che im nachhinein. »Wie ich gehört habe, schließt er dazu die Augen, dreht sich um die eigene Achse und zeigt, und das, was er sucht, liegt dann in der angezeigten Richtung. Aber er ist jetzt schon ziemlich alt, vielleicht macht er es also gar nicht mehr.«
Endlich hatte Gwenny sich von ihrem Anflug von Schüchternheit erholt. Wie peinlich, daß das ausgerechnet dann passieren mußte! Für einen Menschen schien er ein richtig netter junger Mann zu sein. »Vielleicht ist das Finden selbst gar nicht das Talent, daß sich nicht wiederholen kann«, meinte sie. »Vielleicht geht es vielmehr darum, wie jemand etwas findet. Crombie dreht sich um sich selbst, und Sammy läuft einfach davon; Alister macht es wahrscheinlich auf irgendeine andere Weise.«
»Das wird es sein«, stimmte Che ihr zu.
»Wir sollten uns jetzt wohl besser einen Ort suchen, wo wir das Nachtlager aufschlagen können«, schlug Jenny vor.
Sammy schoß davon. Jenny rannte ihm nach, wie sie es immer tat. »Warte auf mich, Sammy!« rief sie, wie sie es immer tat. Doch er wartete nicht, wie er es auch sonst nie tat.
Gwenny und Che waren bereits daran gewöhnt. Sie liefen den beiden nach. Schon bald erreichten sie einen kleinen Nebenweg und rannten ihn entlang. Der Weg führte sie zu einem großen, weitläufigen Baum. Seine Zweige bildeten einen großen, kelchähnlichen Mittelpunkt, der von buntscheckigen Blättern bedeckt war. Sammy sprang einfach in diesen Kelch hinein und blieb stehen.
Gwenny untersuchte eins der Blätter. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, daß die Flecken eine lesbare Druckschrift ergaben. ICH BIN DER PROPAGANDABAUM. WILLKOMMEN IN MEINEM ZWEIG.
»Ein Propagandabaum?« fragte Jenny. »Sammy, bist du sicher…?« Doch der Kater leckte sich die Pfoten und ignorierte sie.
Also kletterten sie alle in den Mittelkelch. Einer der Äste hing bis zum Boden herab, so daß Che ohne große Mühe hinaufsteigen konnte.
Im Baum entdeckten sie gute Früchte und stellten auch fest, daß die Rinde der Äste schwammig und bequem war. Einige große Blätter hingen tief herab. Gwenny suchte sich ein weiteres aus und las es.
HAST DU SCHON EINMAL DARAN GEDACHT, DIE BÄUME XANTHS ZU SCHÜTZEN?
Sie nahm sich ein weiteres vor. UNSER PFLANZENLEBEN IST UNSER WERTVOLLSTES ERBE.
Ob das nur zufällige Nachrichten waren? Oder stand vielleicht ein Muster dahinter? Sie nahm ein weiteres Blatt auf, willkürlich ausgewählt, und las seine Botschaft. WIR FORDERN ALLE EMPFINDUNGSFÄHIGEN KREATUREN AUF, DAS PFLANZENREICH ZU ERHALTEN.
»Ich glaube, dieser Baum will uns irgend etwas sagen«, meinte Gwenny und zeigte die Blätter vor, die sie gepflückt hatte.
»Na ja, er scheint uns mit Verlautbarungen zu versorgen«, meinte Che. »Das paßt zu seinem Wesen. Vielleicht ist er ja für
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