Meeres-Braut
den Guten Magier finden!«
Mela spitzte die Ohren. Suchte der tatsächlich nach dem Guten Magier? Das wäre ja eine wunderbare Abwechslung.
Sie trat vor. »Hallo«, sagte sie freundlich.
Der Fremde machte einen Satz in die Luft, schrie und brach in Tränen aus. Erschrocken wich Mela wieder ins Gestrüpp zurück und kratzte sich an ihrem Lassen-wir-das.
»Oh, ich habe es doch gar nicht böse gemeint«, sagte sie pikiert. »Aber zufällig suche ich selbst nach dem Guten Magier, und da habe ich mich gefragt…« Sie brach ab und starrte die riesige Kreatur an. »He, du bist ja gar kein Mann! Du bist ja ein… na ja, was bist du denn nun?«
»Ich bin ein Ogermädchen«, erwiderte die andere. »Du hast mich erschreckt.«
»Ein Oger! Aber die sind doch sehr kräftig, häßlich und dumm und völlig zurecht auch noch stolz darauf. Du dagegen…«
»Ich dagegen bin nur eine erbärmliche Ausrede von einer Ogerin«, erwiderte die andere. »Ich kann nicht einmal ordentlich Knochen malmen.«
Das überging Mela lieber. »Meinst du, du könntest mich über den See rudern? Ich glaube, der Gute Magier ist irgendwo auf der anderen Seite.«
»Ist er das?« fragte die Ogerin und ihre Miene hellte sich auf. »Aber klar! Kennst du denn den Weg?«
»Nicht genau. Nur ganz allgemein. Aber wenn du auch dorthin willst…«
»Ja!«
»Dann wollen wir uns vorstellen. Ich bin Mela Meerfrau. Ich suche nach einem Ehemann.«
»Ich bin Okra Ogerin. Ich suche mein Glück. Ich will eine Hauptfigur sein.«
»Eine Hauptfigur? Weshalb das denn?«
»Weil einer Hauptfigur so gut wie nie irgend etwas wirklich Schlimmes passiert, während mir ein ganzer Haufen reichlich schlimmer Dinge passieren werden, wenn ich nicht von ihnen wegkomme.«
»Das ist aber interessant! Meinst du, ich würde einen guten Mann bekommen, wenn ich eine Hauptfigur würde?«
»Na klar doch. Wenn sie nicht gestorben sind, leben Hauptfiguren ewig, und zwar glücklich. Wenn du also einen Mann brauchst, um glücklich zu sein, dann würdest du auch einen kriegen.«
»Da bin ich aber froh, daß ich dich kennengelernt habe, Okra! Dann überqueren wir jetzt schnell den Küß-mich-See und schauen, ob wir nicht zusammen den Guten Magier finden.«
»Welchen See?«
»Den Küß-mich-See. Wußtest du das denn nicht?«
»Aber ich habe doch auf dem Ogersee gerudert!«
»Dann mußt du den Fluß hinauf bis zum Küß mich-See gerudert sein, ohne es zu merken!« So etwas hätte nur einer sehr starken und dummen Person passieren können, was in diesem Fall allerdings durchaus einleuchtete.
»Also gut.« Okra zerrte das rote Boot herum und ließ es wieder ins Wasser planschen. »Ich werde rudern. Vielleicht funktioniert es ja besser, wenn du mir sagst, wohin wir fahren.«
»Das sollte es«, meinte auch Mela und merkte, daß dies ein Teil des Problems der Ogerin war: Sie hatte beim Rudern nicht nach vorn sehen können.
Also bestiegen sie das Boot, und Okra fing an zu rudern. Mit jedem Schlag schoß das Boot förmlich durch das Wasser. Mela sah nach vorn – und erblickte, wie die Wolke König Fracto gerade ihren Kurs änderte, um sie abzufangen. »Vielleicht sollten wir lieber umkehren und warten, bis Fracto abgezogen ist«, meinte sie.
Aber die Ogerin schuftete so schwer, daß sie Mela nicht hörte. Nun, vielleicht schafften sie es ja auch bis zum anderen Ufer, bevor das Gewitter losbrach. Mela hoffte es. Der Gedanke, von frischem Regenwasser durchnäßt zu werden, behagte ihr überhaupt nicht.
2
Gwenny
Es war ein idealer Tag für ein Picknick. Sie würden an Blumen riechen und rote, gelbe und blaue Beeren essen und sich in der Sonne sonnen. Mit etwas Glück würden sie einen Flügeldrachen oder einem Greif begegnen. Seit ihrer Verbindung zu Che Zentaur hatte sie keine Angst mehr vor Flügelungeheuern, denn die waren alle seine Freunde.
Gwendolyn Kobold konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letztenmal ebenso glücklich gewesen war wie während dieser vergangenen beiden Jahre als Gast der Zentaurenfamilie. Zu Hause in den Koboldbergen hatte man sie zwar gut behandelt, aber in ihren Gemächern eingesperrt, weil… na ja, weil… Dann war der kleine Che Zentaur zu ihrem Gefährten geworden, ebenso seine Freundin Jenny Elfe, die genauso alt war wie Gwenny, und so waren sie zu Ches Familie gezogen. Zum erstenmal in ihrem Leben hatte Gwenny die Freiheit erlebt, draußen zu sein, und sie genoß sie in vollen Zügen.
Natürlich gab es auch schlimme Dinge. Ches Eltern, Cheiron und
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