Mehr als nur ein Zeuge
Saviours geschickt – eine gewöhnliche staatliche Schule, die so tut, als wäre sie eine Privatschule, mit den passenden Schülern und Eltern.
Sie seufzt. »Dein Dad war auch auf der St. Saviours, Ty, und ich habe immer gesagt, dass du dorthin gehst, um hinterher dieselben Chancen zu haben wie er damals. Er hat eine richtig gute Schulbildung genossen und hat studiert, und das kannst du auch alles. Du musst dir nicht so wie ich dein Leben schon als Teenager versauen.«
»Besten Dank auch«, sage ich übertrieben höflich und mit einer Aussprache wie ein Nachrichtensprecher. »Freut mich zu hören, dass ich dein Leben verpfuscht habe.«
»
Du
hast mir mein Leben nicht verpfuscht. Das war ich selber, weil ich blöd war. Aber
du
kannst immer noch etwas aus deinem Leben machen.«
»Du auch. Du musst nur endlich mal den Hintern hochkriegen.«
|82| Sie verdreht die Augen. »Ich weiß, dass ich hier noch nicht viel auf die Reihe gekriegt habe. Weiß du was, Ty, warum gehen wir beide am Wochenende nicht zusammen shoppen? Vielleicht geht’s mir gleich viel besser, wenn ich mir ein paar neue Klamotten zulege. Vielleicht brauchst du ja auch etwas. Wär doch schön, wenn wir was zusammen unternehmen würden.«
Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu nicken. Ich bin immer noch sauer, aber ich kann nicht abstreiten, dass ich sie echt lieb habe. Und sie tut mir wahnsinnig leid, außerdem fehlt mir ihre Fröhlichkeit total.
Ich kenne aber auch meine Mitschüler inzwischen gut genug, um zu wissen, dass alle am Samstagvormittag ins Einkaufszentrum gehen, und niemand hat seine Mutter dabei. Wie komme ich aus dieser Zwickmühle raus? Joe Andrews hat nicht vor, sozialen Selbstmord zu begehen.
|83| Kapitel 8
Aktenkundig
Es ist halb sieben. Ich mache mich für die Schule fertig, damit ich noch vor dem Unterricht in die Fitness-Suite gehen kann. Da klopft es an der Haustür. Wer zum Teufel ist schon so früh unterwegs? Ich ziehe die Gardine im Wohnzimmer ein Stück auf und sehe Doug – einen zerknitterten, unrasierten, angepissten Doug. Widerstrebend mache ich auf und stehe vor ihm, mit Schultasche und Sportbeutel und auf dem Sprung.
»Was wollen Sie denn hier? Mum schläft noch und ich muss zur Schule.«
»Bist du nicht ein bisschen früh dran? Es wird eben erst hell.« Das Gleiche könnte ich zu ihm sagen, aber ich habe keinen Bock. Er gähnt ausgiebig. »Deine Gran hat mich angerufen. Sie hat gesagt, ihr habt auf ihren Anrufbeantworter gesprochen. Da muss ich wohl zu nachtschlafender Zeit zu euch rausfahren und mit euch reden.«
»Mum hat angerufen, nicht ich, und es war nur ein einziges Mal.«
»Deine Gran ist jedenfalls völlig verängstigt.« Ich glaube ihm nicht. Gran lässt sich von nichts und niemandem Angst einjagen. »Ich bin auch für
ihre
Sicherheit verantwortlich, |84| und sie hat strenge Anweisungen bekommen, mir sofort Bescheid zu geben, falls irgendetwas passiert, das ihre oder eure Sicherheit gefährdet. Im Gegensatz zu dir und deiner Mum hat deine Gran kapiert, worum es geht.«
»Aha.« Doug ist also auch für Grans Sicherheit verantwortlich. Kein besonders beruhigender Gedanke.
»Und? Was ist jetzt? Sind wir in Gefahr? Müssen wir wieder umziehen?«
»Das muss ich mit deiner Mum besprechen. Kannst du sie wecken?«
»Nein.« Ich habe allmählich die Schnauze voll. »Wecken Sie sie doch. Oder warten Sie so lange. Ich muss jedenfalls in die Schule.«
Ich schiebe mich an ihm vorbei und trabe zum Gartentor. Wenigstens einen Tag muss ich diese kostbare Zugangskarte ausnutzen, selbst wenn ich morgen schon wieder was weiß ich wohin ziehen muss.
Ich lösche die Begegnung mit Doug aus meinen Gedanken und das Training in der Halle läuft super. Ich habe meine Musik im Ohr – der iPod, den mir Arron zum 14. Geburtstag geschenkt hat, zu jenem Geburtstag, der aus meiner Vergangenheit gestrichen wurde – und überlasse mich ganz dem hämmernden Rhythmus. Ich stürze mich so entschlossen in die Übungen und die Musik, dass ich alle Sorgen und Erinnerungen beiseitewische und von einer Art freudiger Begeisterung mitgerissen werde.
|85| Als ich fertig bin, triefe ich vor Schweiß und mir bleiben nur noch zehn Minuten, um mich umzuziehen. Aber als ich in die Umkleide komme, geht meine Superlaune sofort auf null runter. Carl und die anderen Fußballer begrüßen mich mit lautstarken Anpöbelungen. Unter diesen Umständen fühle ich mich gar nicht wohl bei dem Gedanken, mich auszuziehen und
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