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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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getratscht?«
    »Nö   …«, erwidert sie, aber es klingt nicht besonders überzeugend.
    »Willst du mit mir gehen? Oder lieber nicht?«
    »Ja   …«, erwidert sie genauso wenig überzeugend.
    »Dann mache ich dir einen Vorschlag. Du sagst deiner Mutter, dass sie nichts über mich rumerzählen darf. Du erzählst ihr auch nichts über mich. Und ich erkläre dir alles, sobald ich kann.« Nämlich nie, aber das behalte ich für mich.
    Sie nickt. Sie hat Tränen in den Augen. »Ich wollte dich |157| nicht ärgern, Joe. Ich wusste nicht, dass du so wütend wirst.«
    Sie kann nichts dafür, dass sie eine dumme, unprofessionelle Mutter hat. »Nicht weinen, ich bin ja nicht sauer auf dich«, sage ich. Und auf einmal küssen wir uns wieder, und diesmal ist es sogar noch besser als vorher und sogar noch stürmischer, und als wir uns voneinander losmachen, wird es schon dunkel und eine Glocke läutet, weil der Park bald geschlossen wird.
    Wir gehen wieder zur Hauptstraße und dann sagt Ashley: »Da kommt mein Bus«, und ich rufe ihr noch nach, dass wir uns morgen in der Schule sehen. Den Heimweg lege ich im Laufschritt zurück, denn ich kann es nicht ausstehen, allein draußen zu sein, wenn es dunkel ist.
    Als ich in unsere Straße einbiege, löst sich ein Schatten aus der Dunkelheit und packt mich am Arm. Ich schlage wild um mich und schreie: »Loslassen!« Erst jetzt erkenne ich ihn. Es ist bloß Doug. Wieso erschreckt er mich fast zu Tode?
    »Was soll der Scheiß?«, schnauze ich ihn an. »Ich hab auch so genug Probleme, da brauchen Sie mir nicht noch aufzulauern.«
    »Pssst«, macht er. »Ich wollte dich abfangen, bevor du reingehst.«
    »Warum?« Ich kriege es mit der Angst zu tun. »Ist was mit Mum?«
    »Jetzt warte doch mal   …«, sagt er, aber ich renne schon weiter, stürme ins Haus. Ich poltere durch die Diele ins |158| Wohnzimmer. Dort sitzt Mum in den Armen von Maureen, unserer Verwandlungskünstlerin, und heult wie ein Schlosshund. Ich schubse Maureen weg und falle Mum um den Hals. »Nicki? Nic? Was ist los? Hat dir jemand was getan?«
    »Mir nicht«, schluchzt sie. »Aber Gran. Sie liegt auf der Intensivstation. Diese Dreckskerle haben sie überfallen.«

|159| Kapitel 13
Heulsuse
    Ich bin wieder in dieser Null-Emotion-Zone, wo alles wie in Watte gepackt und weit weg ist und man zu verzweifelt ist, um etwas zu fühlen, wo man sich selbst am liebsten die Zunge blutig beißen würde. Meine Mum weint und brüllt Doug an und ich bin wie ein kaputter Roboter, dem man sämtliche Schaltkreise rausgerissen hat.
    »Sie sollten doch auf sie aufpassen! Sie haben uns im Stich gelassen!«, brüllt Mum, und Doug sieht total belämmert aus und kann gar nichts antworten.
    Schließlich tätschelt Maureen Mum die Schulter und sagt: »Kopf hoch, Nicki. Wir packen ein paar Sachen für Sie ein, dann bringen wir Sie ins Krankenhaus.«
    »Wir fahren ins Krankenhaus?«, frage ich, denn trotz der Umstände freue ich mich wahnsinnig, dass wir meine Tanten wiedersehen. Aber nein, Maureen schüttelt den Kopf.
    »Ich bleibe so lange hier bei dir, Ty. Doug fährt mit deiner Mutter. Für dich ist es zu gefährlich. Wir wissen nicht, ob das Krankenhaus beobachtet wird.«
    Ich fange an zu zittern, stelle mir die Typen plötzlich vor, wie sie zu allem fähig in einem Krankenhausflur auf |160| das nächste Opfer lauern, Mum, Louise, Emma, eine nach der anderen. Und ich wüsste gern, wie es Gran geht. »Was ist eigentlich passiert? Was haben die mit Gran gemacht?«
    Doug kann mich nicht mal richtig ansehen. »Wir kennen noch nicht alle Einzelheiten, weil deine Gran noch bewusstlos ist. Aber ich muss leider sagen, dass es ein sehr brutaler Überfall war.«
    »Sie haben sie gefoltert«, schluchzt Mum. »Sie haben sie gefoltert, damit sie ihnen verrät, wo wir sind. Und als sie es ihnen nicht gesagt hat, haben die Typen sie zusammengeschlagen und liegen lassen.«
    »Wir wissen noch nicht genau, ob es sich so abgespielt hat«, will Maureen sie beruhigen.
    Aber Mum schüttelt den Kopf und sagt: »Ich kenne doch meine Mutter.«
    »Wer hat Gran gefunden?«
    »Louise ist hingefahren, weil Gran nicht ans Telefon gegangen ist. Wenn sie nicht   …« Mum verstummt, dann rennt sie plötzlich raus und schafft es gerade noch zum Klo, bevor sie sich übergibt.
    Maureen geht zu ihr und lässt mich allein mit Doug. »Mach dir nicht zu viele Gedanken, Ty«, sagt er.
    »Wann kann ich zu Gran? Wie lange bleibt Mum weg?« Ich merke selbst, wie sinnlos diese

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