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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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waren, vor allem, als du in Spanien warst«, und sie rausbringen. Oder ich kann sie fragen, wieso. Blöderweise entscheide ich mich für Möglichkeit zwei.
    |254| Sie macht ein verlegenes Gesicht. »Es ist halt   … die Sache ist die, Joe, ich weiß nicht, ob du weißt, dass ich nicht hier geboren bin. Meine Familie ist aus Catford hergezogen, als ich neun war   … Weißt du, wo Catford ist?«
    Selbstverständlich weiß ich das. Ashley stammt also aus South London. Wenn man wie ich nördlich der Themse aufgewachsen ist, weißt man zwar, dass es South London gibt, aber ich bin nie dort gewesen. Das meiste, was man von dort hört, klingt nicht gut.
    »Der Grund dafür, dass wir dort weggezogen sind, war der, dass wir meinen Bruder von dort wegholen wollten. Mein Bruder Callum ist sechs Jahre älter als ich. Er hatte mit Banden zu tun und hatte immer ein Messer dabei und eines Tages ist er niedergestochen worden.«
    »Ist   … ist er tot?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich hab doch eben gesagt, dass wir hierhergezogen sind, um ihn da wegzubringen, schon vergessen? Als ich dich neulich mit dem Messer gesehen habe, war mir jedenfalls klar   … also, da wusste ich, dass ich nicht mit dir zusammen sein kann.« Ihre Unterlippe zittert. Fängt sie gleich an zu weinen? »Da hab ich auf einmal eine ganz andere Seite von dir gesehen.«
    Das ist total unfair! »Aber ich hab’s doch bloß für dich getan. Die Typen haben dich angegrabscht, diese Bilder gemacht   …«
    »Weiß ich doch. Mir ist auch klar, dass das kranke Arschlöcher sind, aber weißt du was, Joe? Die Fotos wären peinlich gewesen und es wäre nicht schön gewesen, aber letztendlich auch kein Weltuntergang. Wenn du |255| aber einen von den Jungen erstochen hättest   …« Ihr bleibt die Stimme weg.
    Sie hat nicht ganz unrecht und ich weiß es. »Tut mir leid, Ash. Ich wollte dir keine Angst einjagen.«
    Jetzt weint sie doch, und das Beruhigungsmittel scheint nachzulassen, denn jetzt würde ich sie echt gerne ein bisschen aufmuntern. Ich setze mich neben sie aufs Sofa und lege versuchsweise meinen Arm um ihre fast nackten Schultern. Sie wehrt sich nicht, und meinem anderen Arm gelingt es, sich auf das Stück Rücken zwischen ihren Shorts und dem Oberteil zu platzieren. Dann küsse ich ihre Tränen weg und wir legen uns aufs Sofa, und ich kann nur hoffen, dass Doug und Maureen so schlau sind, uns in Ruhe zu lassen, während ich rausfinde, ob Ashley sich in Spanien oben ohne gesonnt hat   …
    Dann macht sie sich wieder los, wenn auch nur halbherzig. »Und das ist der andere Grund«, sagt sie.
    »Was denn?« Ich streichle immer noch ihren nackten Bauch und die andere Hand begibt sich auf eine vielversprechende Forschungsreise.
    »Du und ich. Es passiert zu viel   … zu schnell.«
    »Hmmm   … ich hab noch nicht mitbekommen, dass du dich darüber beschwert hättest   …« Ich knabbere an ihrem Hals. Sie schmeckt leicht nach Kokos.
    »Das ist ja mein Problem.«
    »Wie jetzt?«
    »Ich weiß, dass mich alle für ein Mädchen halten, das alles mitmacht, aber das stimmt nicht, Joe.«
    |256| Das ist jetzt echt noch unfairer. »So was hab ich nie gedacht. Ich finde dich toll und sexy und   …« Ich küsse ihre glänzenden Lippen. »Und sehr klug.«
    »Ja, aber anscheinend kann ich bei dir einfach nicht Nein sagen, Joe. Bei den anderen Jungen konnte ich das. Die haben immer gewusst, dass sie   … du weißt schon   … nicht zu weit gehen dürfen, ich habe immer dafür gesorgt, dass sie das merken. Bei dir vergesse ich immer zu sagen, wann du aufhören sollst, und davor habe ich Angst. Wenn wir vorhin in dein Zimmer gegangen wären, kann ich mir vorstellen, na ja, wie eins zum anderen geführt hätte. Und ich hab keine Lust, am Ende so dazustehen wie   …« Sie zögert, aber ich weiß ganz genau, was sie meint.
    »Wie meine Mum.«
    Ich ziehe bedächtig die Hände weg, wische sie an meiner Jeans ab, als wären sie schmutzig, und rücke ein Stück von Ashley ab, als verströmte sie einen üblen Geruch.
    »Das heißt doch nicht   …«
    »Ich weiß, was das heißt. Ich weiß genau, was das heißt! Aber weißt du was? Meine Mum war froh, dass sie mich gekriegt hat. Sie wollte mich. Und wir haben dem Staat nie auf der Tasche gelegen. Mum hat eine Ausbildung gemacht und hat sich halb totgearbeitet, damit sie für mich sorgen kann.«
    Ich bin so wütend, dass ich kaum sprechen kann. Es ist einfach unglaublich, welchen Mist man sich bieten lassen muss, bloß

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