Mehr als nur ein Zeuge
guten Händen ist. Was ist mit dem Typ, der auf ihn geschossen hat? Liegt der jetzt irgendwo da draußen auf der Lauer?
|244| Wir sind am Eingang. Dort halten sich ein paar Leute auf. Sie sehen normal aus – mehrere alte Männer, eine Frau mit Baby, aber wer weiß? Vielleicht sind sie bewaffnet, vielleicht schießen sie gleich auf uns. Auf einmal bin ich nicht mehr so mutig. Ich krieg das nicht hin. »Alles in Ordnung«, sagt Doug, aber was weiß der schon?
Wir gehen durch die Tür ins helle Sonnenlicht und da steht ein großes schwarzes Auto. Doug öffnet die Tür und schiebt mich rein – ein bisschen gröber als nötig, wie ich finde. Drinnen sitzt Maureen und zeigt auf den Boden. Dort soll ich mich hinkauern. Doug nimmt auf dem Beifahrersitz Platz und Maureen breitet eine Decke über mich. »Nur ein kurzes Stück, bis wir hier weg sind.«
Unter der kratzigen Decke ist es stickig und heiß, ich kriege einen Krampf und habe furchtbar Hunger und Durst. Vom Schaukeln des Autos wird mir auch noch schlecht und ich muss ein bisschen würgen, aber da ist nichts, was rauskommen könnte, und so habe ich bloß einen üblen Geschmack im Mund.
Am schlimmsten ist es, im Dunkeln zu sitzen und immer mehr Panik zu kriegen und sich vorzustellen, was vielleicht mit meiner Familie passiert. Ich sehe den Kerl mit der Pistole in diesem kleinen Zimmer stehen und sie alle wegputzen, sehe, wie meine Familie in Fetzen aus Blut und Knochen und Haaren und Haut verwandelt wird. Ich bin an Maureens Beine gepresst, und nachdem wir eine Weile gefahren sind, beugt sie sich runter, legt mir die Hand auf die Schulter und flüstert: »Mach dir keine Sorgen.«
|245| Irgendwann, mir kommt es vor, als seien Stunden vergangen, hält der Wagen. Maureen zieht die Decke weg und sagt: »Ach herrje«, als sie mich sieht. Mir ist so heiß, mein ganzer Körper brennt, meine Haare und mein Hemd sind klatschnass vom Schweiß und wahrscheinlich sehe ich auch noch ein bisschen verheult aus.
»Jetzt aber schnell, raus aus dem Auto und rüber in das andere.« Ich stöhne, denn ich habe echt gehofft, dass wir eine kleine Pause machen, meine Beine sind so verkrampft, dass ich kaum gehen kann, aber ich humple zu dem anderen Wagen rüber. Doug sitzt schon hinterm Steuer, sein Blick ist nicht allzu mitfühlend.
»Leg dich einfach auf den Rücksitz und erhol dich ein bisschen«, sagt Maureen. Doug stößt zurück und braust dann über die kleine Landstraße, in der er geparkt hatte. »Hier, trink was«, sagt Maureen. Ich stütze mich auf und trinke gierig. »Du bist ein bisschen grün im Gesicht. Nimm eine von denen hier.« Sie hält mir eine kleine weiße Pille hin, vermutlich eine Reisetablette.
Anschließend muss ich eingeschlafen sein, ein herrlicher Schlaf ohne Träume, denn als ich aufwache, ist es schon wieder Abend. Wir biegen zu einer Tankstelle ab und Maureen rüttelt mich sachte an der Schulter. »Du kannst doch bestimmt was zu essen vertragen.«
»Wie … wie spät ist es?«
»Es ist neun Uhr abends. Du hast fast den ganzen Tag geschlafen«, antwortet Doug.
»Ich hab dir ein Beruhigungsmittel gegeben, weil ich dachte, du kannst es brauchen«, sagt Maureen.
|246| »Warum fahren wir immer noch?« Mir kommt ein schrecklicher Gedanke. »Sie bringen mich doch nicht woandershin, oder?«
Beide lachen. »Nein, nicht einmal wir können so schnell reagieren«, sagt Maureen. »Drücken wir’s mal so aus: Es war uns lieber, die landschaftlich reizvollere Strecke zu fahren und dich erst nach Einbruch der Dunkelheit zurückzubringen. Wir können hier etwas essen, dann sind wir gegen Mitternacht in eurer Wohnung. Doug wird über Nacht dableiben müssen.«
»Tut mir echt leid, was passiert ist, Doug.«
»Der kleine Sack ist nicht nur einmal, sondern gleich zweimal auf mich losgegangen«, brummelt Doug, klingt aber nicht allzu sauer. »Wenn man bedenkt, dass du mich für einen Killer gehalten hast, muss ich sagen, dass du ganz schön mutig warst. Anderenfalls müsste ich die Sache natürlich persönlich nehmen. Und jetzt soll ich auch noch die Nacht bei dir verbringen! Wird meiner Frau zwar nicht gefallen, aber was sein muss, muss sein.«
Ich habe noch nie dran gedacht, dass Doug und Maureen auch ein Privatleben haben, auf das sie wegen mir verzichten müssen.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie verheiratet sind.«
Sie lachen wieder. »Und wie!«, sagt Maureen. »Seine Frau hält ihn an der kurzen Leine, stimmt’s, Doug?«
»Ist ’ne prima Frau«,
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