Mehr als nur Traeume
wiederholen.
8
Dougless beobachtete Nicholas auf dem Hengst und hielt den Atem an. Sie hatte zwar schon gehört, daß Leute auf solchen Pferden ritten, wie dieses eines war, das aber noch nie miterlebt. Jeder Angestellte, jeder Gast im Reitstall war inzwischen stehengeblieben, um Nicholas zu beobachten, ob er das ungewöhnlich temperamentvolle, zornige und tückische Tier zu beherrschen vermochte.
In der vergangenen Nacht waren sie bis ein Uhr morgens aufgeblieben, und Dougless hatte Nicholas dazu bewegen können, ihr von seinen Beziehungen zu den Harewoods zu erzählen. Viel war es nicht gewesen. Sie hatten Güter, deren Grenzen aneinanderstießen. Dickie war alt genug gewesen, um Nicholas’ Vater sein zu können, und er hatte eine Tochter gehabt, die Arabella hieß und Robert Sydney geheiratet hatte. Arabella und ihr Mann hatten mich gehaßt, und nach der Geburt eines Erben hatten sie sich getrennt, obwohl Arabella später noch drei Kindern das Leben schenkte.
»Wovon eines Sie gezeugt haben«, hatte Dougless gesagt, die sich die ganze Zeit über Notizen machte.
Nicholas hatte sie mit sanftem Blick angesehen »Es besteht kein Grund, schlecht von ihr zu denken. Sie und der Säugling starben damals im Kindbett.«
»Tut mir leid.« Dougless verzog das Gesicht und dachte daran, daß eine Frau damals nur zu leicht an einer so geringfügigen Ursache wie den ungewaschenen Händen einer Hebamme sterben konnte.
Dougless versuchte sich etwas einfallen zu lassen, das ihnen so rasch wie möglich eine Einladung in das Haus der Harewoods verschaffte; aber sie hatte kein Dokument, das sie als kompetente Wissenschaftlerin auswies, und obgleich Nicholas ein Graf war, hatte man ihm den Titel abgesprochen, als er wegen Hochverrats verurteilt wurde. Sie zermarterte sich den Kopf, bis sie nicht länger wachbleiben konnte, wünschte Nicholas dann eine gute Nacht und war in ihr Bett gegangen.
Das ist schon besser, dachte sie, als sie in den Schlaf hinüberdämmerte. Sie hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Sie kam allmählich über die Affäre mit Robert hinweg und verliebte sich nicht länger in einen verheirateten Mann. Sie würde Nicholas helfen, zu seiner Frau zurückzukehren, ihm helfen, seinen Namen reinzuwaschen, und würde dann mit einem guten Gefühl, ihre eigene Person betreffend, nach Hause zurückkehren. Zum erstenmal in ihrem Leben würde sie nicht auf einen unpassenden Mann hereingefallen sein.
Nicholas weckte sie schon früh am Morgen, indem er die Tür zum Salon ziemlich unsanft aufstieß. »Könnt Ihr auf einem Pferd reiten? Kann heutzutage überhaupt jemand reiten?«
Dougless versicherte ihm, daß sie tatsächlich reiten könne - dank ihrer Vettern in Colorado -, und nach dem Frühstück hatten sie vom Portier erfahren, daß sich gar nicht weit vom Hotel ein Reitstall befand. Nicholas bestand darauf, daß sie die vier Meilen bis zu dieser Pferdestation zu Fuß zurücklegen sollten. Im Reitstall hatte er dann die Nase über die Mietpferde gerümpft; aber seine Augen hatten aufgeleuchtet, als er ein gewaltiges Pferd auf der Koppel erspähte. Es scharrte mit den Hufen und warf den Kopf auf und nieder, als wollte es jeden warnen, auch nur in seine Nähe zu kommen. Wie in Trance war Nicholas auf das Tier zugegangen. Der Hengst war auf ihn zugestürmt, daß Dougless vom Koppelzaun weggesprungen war.
»Dieses da«, hatte er nur gesagt.
»Sie können doch nicht im Ernst daran denken, auf diesem Pferd zu reiten. Es gibt genügend andere Tiere hier zur Auswahl«, hatte sie gesagt.
Doch soviel sie und die anderen auch noch auf ihn einredeten - er hatte sich nicht von seiner Wahl abbringen lassen. Der Besitzer des Mietstalls war herbeigeeilt und hatte gedacht, es wäre ein großartiger Witz, zu erleben, wie Nicholas sich den Hals brach.
Dougless wußte, daß man in Amerika in diesem Fall über eine Versicherung reden würde, aber nicht in England. Der Hengst wurde in einen Verschlag geführt, ein Stallbursche sattelte ihn, führte ihn dann wieder hinaus auf die Koppel und überließ Nicholas mit erwartungsvollem Grinsen den Zügel.
Nun saß Nicholas auf dem Rücken des Hengstes und brachte ihn fast mühelos zum Gehorsam.
»Ich habe noch niemanden so reiten gesehen«, staunte ein Pferdepfleger. »Reitet er viel?«
»Immer«, versicherte Dougless ihm. »Er steigt lieber auf ein Pferd als in einen Wagen. Tatsächlich hat er eine viel größere Zeit seines Lebens auf einem Pferderücken als hinter dem Lenkrad eines
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