Mein bestes Stuck
musste klaren Kopfes jegliche Ablenkung ausblenden und sich konzentrieren.
Eine weitere Sechs landete vor ihr.
Sie schaute der Croupière in die Augen und sagte: »Verdoppeln.«
»Eleonore …«, setzte Simon von hinten an, hielt dann jedoch inne, als hätte er im selben Moment begriffen, dass sie nun für ihn unerreichbar war.
Sie verlor.
Macht nichts, egal, die ersten Partien liefen nicht immer optimal. Eleonore versuchte die Panik zu unterdrücken, die sich langsam in ihr breitmachte, schwelgte jedoch auch gleichzeitig in diesem Gefühl. Der Rausch war einfach unbeschreiblich. Jeden Moment, jede Partie würde es so weit sein, und sie würde den großen Gewinn einfahren. Sie musste nur daran glauben und ruhig bleiben.
Es folgten ein paar kleinere Erfolge. Passives Spiel zahlte sich aus, doch für Eleonores Geschmack war es viel zu langsam. Eine Partie noch, dachte sie, dann lege ich eine Pause ein. Vielleicht kann ich sogar Simon abschütteln …
Eine Drei. Hm, nicht besonders vielversprechend. Doch dann, wie aus dem Nichts, fühlte sie plötzlich den altbekannten Kitzel, dieses Gefühl, das langsam ihren Rücken hochkroch; dieses Spiel würde ihr Spiel werden. Eine Andeutung von einem Lächeln huschte über ihr Gesicht und unter den wunderschönen, regungslosen Augen der Croupière schob Eleonore einen Einsatz in die Mitte des Tisches,
der fünfmal höher war als alles andere, was zuvor an diesem Tisch gespielt wurde.
Die Croupière registrierte den Einsatz emotionslos mit einem leichten Nicken.
»Eleonore!« Sie spürte Simons Hand auf ihrer Schulter. »Nein, bitte nicht, setz dieses Spiel aus. Das ist es nicht wert!«
Sie sah ihn nicht an. »Sie müssen ihn entschuldigen«, raunte sie der Croupière zu. »Er ist ein echter Langweiler.« Simon zog seine Hand zurück, als die Runde um sie herum zu kichern begann.
»Oh, Eleonore«, hörte sie ihn flüstern, doch er bewegte sich nicht vom Fleck. Verdammt!
Ihre zweite Karte. Eine Sechs. Eleonore erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht in dem üppigen, glitzernden Spiegel an der gegenüberliegenden Wand. Ihre Wangen waren tiefrot angelaufen, ihre Augen funkelten und in dem gedimmten Licht des Raumes wirkte ihr Haar wild und beinahe wie auf einem präraphaelitischen Gemälde. Sie hatte sich noch nie so lebendig gefühlt.
»Karte.«
Eine Vier. Okay, das machte dreizehn.
»Karte.«
Eine Sieben. Zwanzig! Hinter sich konnte sie Simons Seufzer der Erleichterung hören, was sie ein wenig irritierte.
»Karte.«
»Nein!« Die anderen Mitspieler schnappten hörbar nach Luft, doch es war Simon, der laut aufgeschrien hatte. Eleonore nahm nichts davon wahr.
Ein Ass.
»Herzlichen Glückwunsch. Höchste Punktzahl. Das Co-Co -Casino gratuliert Ihnen.« Die Croupière bemühte sich nicht einmal, so zu klingen, als meinte sie ihre Worte ehrlich.
»Vielen Dank!«, Eleonore drehte sich um und grinste Simon triumphierend an. »Oh, du Ungläubiger! Was sagst du jetzt, Mister Obervorsichtig. Ich hab dir doch gesagt, ich bin gut!«
Simon stand mit versteinertem Gesicht da. »Ist ja schon gut. Kommst du jetzt bitte?«
Eleonore stand auf und rückte so nah an ihn heran, dass ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt war. »Was ist los, Simon? Freust du dich gar nicht für mich? Ich habe gewonnen!« Sie ergriff seine Hand. »Komm, lass uns feiern! Barkeeper, Champagner!« Dann wandte sie sich wieder an Simon und sagte mit gesenkter Stimme: »Bei diesem einen wird es bleiben. Das ist der Trick dabei, verstehst du? Immer einen klaren Kopf bewahren. Den Leuten hier wäre ich angeschickert natürlich um einiges lieber. Aber nicht heute, Baby, oh nein!«
»Hör zu, Eleonore …«
»Nein, du hörst mir jetzt zu, Simon Crasset! Ich will mich amüsieren, und du stehst mir im Weg! Wenn du schon nicht mit mir feiern willst, lass mich einfach in Ruhe und verpiss dich, okay?«
Das war selbst für Eleonores Verhältnisse reichlich barsch. Tief im Inneren wusste sie das auch, jedoch war sie wild entschlossen, sich nicht von Simons Bevormundungen den Spaß verderben zu lassen. Also stob sie in Richtung Roulettetisch
davon und rannte dabei fast den Kellner um, der ihre zwei Champagnerflöten auf einem Silbertablett vor sich hertrug. Sie brauchte diesen Abend. Der morgige Tag, die restliche Woche, die Beerdigung, der Rest ihres Lebens – all das würde noch ein bisschen warten müssen.
Der Kellner gewann sein Gleichgewicht wieder und reichte Eleonore eines der beiden
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