Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
skeptisch sich geäußert, kritisch, das sei ein Risiko; natürlich ist das ein Risiko – wer nicht wagt, der nicht gewinnt, sagt man in Deutschland. Wenn wir nicht bereit sind, auch ein Risiko Europas wegen auf uns zu nehmen, dann kriegen wir nichts zustande. Es ist auch ein Risiko, was wir unternehmen, gemeinsam unternehmen, in der internationalen Politik.
Wir streben gemeinsam nach einer Stabilität der Entspannungspolitik in Europa. Ich bin eben vor einer Stunde aus einem kommunistischen Land auf dem Balkan zurückgekommen, aus Bulgarien. Sicher, das Gesellschaftssystem, das die Kommunisten in Bulgarien errichtet haben, das wollen wir nicht bei uns –
eine
Partei, und sonst hat niemand was zu sagen. Aber wir wollen gemeinsam mit den kommunistischen Regierungen – ob in Bulgarien oder Ungarn, Jugoslawien oder Rumänien, der Tschechoslowakei oder der DDR , in Polen oder der Sowjetunion –, wir wollen gemeinsam mit ihnen dafür sorgen, dass keine Konflikte entstehen, aus denen ein Dritter Weltkrieg ausbrechen könnte.
Und dies ist in der Tat ein ganz besonderer Beitrag der deutschen Sozialdemokraten – und so habe ich auch Anker Jörgensen vorhin verstanden, der sich wünscht, dass hier in Deutschland bei den europäischen Wahlen die Sozialdemokraten obsiegen sollen –, denn unsere innenpolitischen Gegner hier in Deutschland, die haben die Entspannungspolitik, die von Willy Brandt über Walter Scheel bis auf den heutigen Tag durch Genscher und mich verfolgt wird, unsere innenpolitischen Gegner haben diese Entspannungspolitik immer nur abgelehnt, haben sie immer nur schlechtgemacht. Und wenn ich lese auf den Plakaten und höre, was Herr Strauß sagt, dass es angeblich bei dieser Wahl darum geht, ob Europa von Sozialisten regiert wird, ob es sozialistisch wird, oder ob es stattdessen frei bleibt – Sozialismus oder Freiheit sagen die: Welch unerhörte Anmaßung gegenüber den skandinavischen Staaten, die seit drei, vier Jahrzehnten von Sozialdemokraten regiert werden! Welch eine Selbstüberheblichkeit, wenn Herr Strauß als bayrischer Ministerpräsident oder Herr Stoltenberg als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident uns einreden wollen, dass in Schleswig-Holstein oder in Bayern mehr Freiheit herrsche als in Anker Jörgensens Dänemark! Welch unerhörte Anmaßung!
Ich will deutlich sagen, dass zu der Entspannungspolitik, die wir gemeinsam führen, natürlich gehört, dass wir uns auf die beiden Säulen stützen, auf die Europäische Gemeinschaft, die sich im nächsten Monat ihr Parlament wählen wird, sowohl als auch auf das Verteidigungsbündnis, dem wir gemeinsam angehören, Dänemark genauso wie die Bundesrepublik Deutschland.
Wir arbeiten auch ansonsten in der Außenpolitik gut zusammen in zunehmender Weise, nicht nur gegenüber den Staaten Osteuropas und gegenüber der Sowjetunion, auch gegenüber den Konfliktherden im arabisch-israelischen Raum, in Südostasien, in Afrika und gegenüber den sich entwickelnden Völkern der ganzen Welt.
Die Europäische Gemeinschaft hat als erste und bisher einzige auf der Welt mit fünfzig Entwicklungsländern ein Abkommen geschlossen. Im Augenblick verhandeln wir über ein noch besseres Abkommen, das das erste ersetzen soll, mit Hilfe dessen die Exporte oder das, was die Entwicklungsländer verdienen an ihren Exporten, was sie verdienen an ihrem Zucker, den sie exportieren müssen, oder an ihrer Baumwolle, an den sonstigen tropischen und subtropischen Produkten, von deren Export sie leben, dass diese Entwicklungsländer dafür nicht jedes Jahr verschieden viel verdienen, einmal genug und einmal, wenn es eine Krise gibt am Weltmarkt, sehr viel weniger, und dann sind sie plötzlich auf dem trockenen. Wir haben ihnen die Exporterlöse stabilisiert, und ich glaube, dass dies der Weg ist, auf dem wir gemeinsam fortschreiten müssen.
Vielleicht soll ich noch etwas sagen zu den Parteien, die für das Europäische Parlament hier miteinander im Wettbewerb stehen. Ich sehe keinen Nachteil darin, kein Unglück, wenn etwa die deutschen Christdemokraten in Zukunft in Straßburg und in Luxemburg mit italienischen Kommunisten debattieren müssen. Ich meine, hier bei uns in Deutschland werden ja keine Kommunisten gewählt werden; hier hat ja jeder die Nase voll, aber es gibt andere Länder, da werden sie gewählt werden. Ich halte das nicht für ein Unglück. Es wird sich dann ja herausstellen, worin die Differenzen liegen. Es wird sich übrigens auch herausstellen, was
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