Mein Europa: Mit einem Gespräch mit Joschka Fischer (German Edition)
Gebrauch gemacht wird. Sehr vieles lässt sich nämlich bei gutem Willen und durch common sense erreichen, ohne dass deswegen der komplizierte Weg der Schaffung neuer Institutionen gegangen werden muss. So etwa funktionieren die nützlichen, regelmäßigen Treffen der Regierungschefs der Mitgliedsstaaten als »Europäischer Rat« sehr gut ohne die Einrichtung eines zusätzlichen Sekretariats, die seinerzeit von mancher Seite empfohlen worden war. Auch die Abstimmung der Außenpolitik der Neun ist im wesentlichen ein pragmatischer Prozess, der ohne aufwendigen Apparat auskommt. Der politische Wille zur Zusammenarbeit ist auf jeden Fall wichtiger als zusätzliche Institutionen.
Trotz ihrer internen Probleme hat die Europäische Gemeinschaft gerade in ökonomisch schwierigen Zeiten erstaunliche Kraft bewiesen. Deshalb braucht auch niemand seine Geduld mit Europa zu verlieren. Die Geschichte hat einen langen Atem. Das epochale Werk der Einigung Europas braucht seine Zeit. Dass wir das hohe Ziel erkannt haben, dass wir uns ihm bewusst nähern, das verdanken wir zu einem wichtigen Teil dem großen Franzosen und zugleich großen Europäer, Jean Monnet, der die entscheidenden Anstöße gegeben hat. Sein wertvollster Beitrag zu dieser historischen Entwicklung war die Einsicht, dass die Hegemonie durch eine europäische Vormacht niemals als Instrument zur Befriedung und Wohlfahrt Europas taugt, sondern dass Frieden und Wohlfahrt für die Völker Europas nur aus dem Zusammenwirken gleichberechtigter Partner zu einer Gemeinschaft gesichert werden können.
Meine eigene Bekanntschaft mit diesem hellsichtigen, unideologischen und unvoreingenommenen, zielklaren und zugleich pragmatisch vorausschreitenden Mann Jean Monnet datiert erst aus den späten sechziger Jahren. Ich habe ihm gleichwohl vielerlei politischen Ratschlag und Hinweis zu danken – besonders als Finanzminister und als Bundeskanzler. Er ist ein Vorbild: als Patriot, als Europäer und als ein Politiker, der sowohl Ziele setzen als auch die Wege ebnen kann. Ich wünsche ihm, den die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft am 2 . April 1976 in Luxemburg zu deren erstem Ehrenbürger proklamiert haben, viele deutsche Leser. Wir können Partnerschaft von ihm lernen – und nicht nur wir Deutschen haben dies nötig.
Denn Europa wird als politische Einheit nur bestehen, wenn es sich seiner Verpflichtung zu einer dreifachen Partnerschaft bewusst bleibt: Erstens der Partnerschaft zwischen den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft, zweitens der Partnerschaft Europas mit den USA und drittens der verantwortungsbereiten Partnerschaft Europas mit der Dritten Welt.
Gleiche Chancen für alle Menschen in Europa ( 1979 )
Im Juni 1979 waren die Bürger der Europäischen Gemeinschaft aufgerufen, zum ersten Mal direkt ein Europäisches Parlament zu wählen. In einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem dänischen Ministerpräsidenten Anker Jörgensen in Hamburg warb Helmut Schmidt für eine hohe Wahlbeteiligung und – um Stimmen für die SPD .
M eine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Hamburger und liebe Freunde,
zunächst eine Bemerkung an die Adresse der Bürgerinnen und Bürger hier auf dem Platz; zwei Bemerkungen. Erstens herzlichen Glückwunsch an die, die schlau genug waren, einen Regenschirm mitzubringen. Und zweitens Respekt und Anerkennung für die, die ohne Regenschirm trotzdem hier ausharren. Herzlichen Dank dafür!
Ich möchte zunächst ein Wort sagen zu meinem Freund Anker Jörgensen. Alles, was der dänische Ministerpräsident eben zu uns Hamburgern und zu uns Deutschen gesagt hat, das kann ich mit sehr gutem Gewissen unterschreiben. Insbesondere auch, dass wir, die Dänen und die Deutschen und die Holländer und wie wir alle heißen, dass wir in der Europäischen Gemeinschaft ja nicht unsere nationale Eigenart, unsere nationale Identität aufgeben. Aber wir wollen uns enger zusammenschließen; wir wollen uns gegenseitig helfen, und die Dänen und die Deutschen, die gehören ja nun beide zu denjenigen in Europa, denen es am besten geht, die die höchsten Gehälter haben und die höchsten Löhne und die höchsten Renten – die Dänen außerdem noch den besten Schnaps!
Ich möchte den Hamburgern sagen, dass ich mit Anker Jörgensen seit einer Reihe von Jahren herzlich befreundet bin und dass wir gemeinsam in der Europäischen Gemeinschaft schon in mancher Frage am selben Strang gezogen haben, und zwar am richtigen Ende des selben Taus.
Die
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