Mein Ex, seine Familie, die Wildnis und ich (German Edition)
Helm aufgesetzt.
Das war ein bisschen enttäuschend. Er hätte sie gerne ein- oder zweimal – besser noch viele Male – geküsst, ehe sie sich auf den Rückweg machten.
Sie kletterte auf den Sitz, und er stieg vor ihr auf, aber dieses Mal mit dem Gesicht in die richtige Richtung. Dann ließ er die Maschine an, wendete und gab Gas.
Joe lächelte, als Keri die Arme um ihn schlang und den Kopf, im Helm, aber immerhin, an seinen Rücken schmiegte. Das würde über kurz oder lang unbequem werden, speziell an den steinigeren Stellen, aber er nahm, was er kriegen konnte. Und er nahm es, solange er konnte.
17. KAPITEL
J oe erwachte lange vor Sonnenaufgang. Wenn er ehrlich war, wusste er nicht einmal, ob er überhaupt geschlafen hatte.
Keri reiste heute zurück. Nach dem Frühstück würde sie ihr schickes Gepäck in den Kofferraum ihres Mietwagens laden und abhauen.
Vorsichtig schlüpfte Joe aus dem Bett, um Keri nicht zu wecken. Ihre Nacht konnte nicht wesentlich erholsamer gewesen sein als seine. Dann zog er sich eine Jogginghose über und blieb mitten in der Hütte stehen. Er hatte keine Ahnung, was er nun tun sollte. Wenn er das Licht anmachte, würde er Keri stören. Wenn er den Laptop hochfuhr und den Bildschirm anstarrte, würde er den Verstand verlieren.
Er hätte besser im Bett bleiben und an die Decke schauen sollen. Nein, ab nach draußen, entschied er. Nicht wieder unter die Decke.
Als er sich der Tür näherte, hörte er auf der Veranda ein Kratzen. Er machte leise einen Schritt zur Seite, sodass er aus dem Fenster sehen konnte. Langsam zog er die Vorhänge zurück und entdeckte einen Waschbären. Das Tier machte sich an dem Kulturbeutel zu schaffen, den er auf der Veranda vergessen hatte.
Hinter Joe knarrte es, und er drehte sich um. Keri war ebenfalls aufgestanden und kam langsam herüber. Sie war noch immer nackt. Warnend legte er einen Finger auf die Lippen und winkte sie heran.
Sie riss die Augen auf, während sie durch die Vorhänge lugte und zusah, wie der Waschbär die Zahnseide beiseitewarf. Der Einwegrasierer interessierte ihn offenbar ebenso wenig. Am Deo schnupperte er zumindest, bevor er es von der Veranda in den Schmutz beförderte.
Nach ein paar Sekunden schien das Waschzeug ihn – oder sie, denn wer wusste das schon – zu langweilen. Der Waschbär richtete seine Aufmerksamkeit nun auf die Kleidungsstücke, die über dem Geländer zum Trocknen hingen. Speziell das farbenfrohe Tuch, das Keri immer mit zum Schwimmen nahm, hatte es ihm angetan. Das Tier rieb sein Gesicht daran, zog es vom Geländer herunter und wickelte es zu einem kleinen Knäuel zusammen.
In aller Ruhe kletterte es von der Veranda und lief mit dem gestohlenen Tuch in den kleinen Pfoten die Auffahrt hinunter.
„Er klaut mein Tuch!“, rief Keri. „Ich habe dir gesagt, dass die Waschbären hier oben kriminell sind.“
„Soll ich es zurückholen?“
Bitte nicht!
Joe würde jede Wette eingehen, dass er auf einen seiner Brüder traf, wenn er mit nacktem Oberkörper und barfuß Jagd auf den kleinen Kleptomanen machen würde. Und die Geschichte würde er sich dann für den Rest seines Lebens anhören dürfen.
Keri seufzte und schüttelte den Kopf. „Lass ihn. Oder sie. Sicher eine Sie, bei dem guten Geschmack. Das Ding ist von Dolce & Gabbana.“
„Der Rest der Waschbären-Gang wird sie beneiden.“ Joe zog sie an sich. „Die Familie steht frühestens in einer Stunde auf, um Kaffee zu kochen.“
„Jetzt bin ich schon mal wach. Wieder ins Bett zu gehen ergibt eigentlich keinen Sinn.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher“, flüsterte er und knabberte an ihrem Ohrläppchen.
Als später die Sonne durch die Vorhänge hereinfiel, lagen sie noch immer leicht außer Atem zusammengekuschelt unter der Bettdecke. Joe spürte Keris Tränen auf seiner Brust. Es brach ihm das Herz.
Alles war gepackt. Keri machte einen letzten Rundgang durch die Hütte, um zu prüfen, ob sie nichts vergessen hatte. Tatsächlich suchte sie nach einem Grund, um noch nicht ins Auto steigen zu müssen. Aber es gab nichts mehr zu tun, ihre Koffer warteten neben der Tür.
„Auch wenn du heute nicht mehr den ganzen Tag hier bist“, sagte Joe und klang so traurig, wie sie sich fühlte, „darfst du mir eine weitere Frage stellen. Ich habe irgendwie den Überblick verloren.“
Ihr ging es ebenso. In den wunderschönen und leicht unwirklichen Tagen, die hinter ihnen lagen, war ihr altes Leben – nein, ihr
echtes
Leben, verdammt – immer
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