Mein Glueck
William Liebermann, James Thrall Soby, Bill Rubin, Sam Hunter und nicht zuletzt der berühmte Alfred Barr, der Max bereits Mitte der dreißiger Jahre in Paris besucht hatte und dem das Museum of Modern Art die Erwerbung eines fabelhaften dadaistischen Ensembles verdankte. Und natürlich freuten sich Jimmy und Dallas Ernst und ihre Kinder Amy und Eric über diesen Ehrentag für die Familie. Am Tag vor der Abreise wollte Max noch einmal mit Dorothea durch die Spirale von Frank Lloyd Wright hinabwandern, in der sich so eindrucksvoll die Stationen seines Leben abspulten. Dann flogen wir wieder nach Paris zurück. Max und Dorothea reisten kurz danach in den Süden. Einmal fuhr ich noch dorthin, zusammen mit Germain Viatte, um mit Max die Pariser Version der Retrospektive des Guggenheim Museum zu besprechen. Dann bekam ich den Anruf, dass Max Ernst einen Schlaganfall erlitten hatte. Er lag in seinem Garten gerne ungeschützt in der prallen gefährlichen Frühlingssonne. Von Dorothea und Pierre Hebey erhielt ich die Nachricht, Max sei mit einem Sanitätsflugzeug unterwegs nach Paris. Ich solle ihn im Hôpital Américain in Neuilly in Empfang nehmen. Ich wartete in der Eingangshalle längere Zeit umsonst. Plötzlich hörte ich ein ganz leises »Werner«. Ich sah auf einer Tragbahre, die auf dem Boden abgestellt worden war, plötzlich ein Bündel, meinen Freund. Niemand schien sich um ihn zu kümmern. Ich wurde wütend und sorgte dafür, dass er schnell in sein Zimmer gebracht wurde. Damals bereitete ihm das Sprechen noch keine große Mühe. Im Krankenhaus blieb er einige Wochen, während derer ich ihn ständig besuchte. Ich las ihm unter anderem mein Vorwort für den französischen Katalog vor. Er schien dem folgen zu können. Inzwischen hatte Dorothea die Etage über der Wohnung in der Rue de Lille zu einer Krankenstation ausbauen lassen. Hier fand er sich wieder. Alles kam ihm fremd vor. Erschreckt fragte er mich, wo er sei? Ich erklärte es ihm. Hübsche amerikanische Krankenschwestern sorgten für ihn. Sie fielen ihm jedoch sehr schnell auf die Nerven mit ihrem unerträglichen lallenden Geschwätz, à la einen Löffel für mich, à la »Nun trinken wir einen Schluck«. Keine von ihnen hatte auch nur die geringste Ahnung vom Genie, um das sie sich kümmern durften.
Einmal, während der Abwesenheit Dorotheas, organisierte ich für einige Freunde ein Essen mit Max. Wir holten ihn aus dem Bett, und er saß glücklich zwischen uns am Tisch. Das tat ihm unendlich gut. Doch als Dorothea davon erfuhr, warf sie mir vor, ich würde mich in Sachen einmischen, die mich überhaupt nichts angingen. Tag für Tag besuchte ich Max. Ich las ihm vor, Morgenstern, Hans Arp, Lichtenberg, Heine, Lewis Carroll oder aus einer Anthologie von Gedichten.
Ein Arzt kam, der sich um seine Rehabilitation kümmern wollte. Er erklärte dem Patienten, er werde nun dafür sorgen, dass er die Finger seiner gelähmten Hand wieder zu bewegen lerne, dann käme die Hand an die Reihe, dann Arm und Schulter, und schließlich würde man aufstehen und zusammen erste Schritte machen. Max, der offensichtlich keine Illusionen über seinen Zustand hatte, schaute mich an und fragte: »Sehr schön. Werner, kannst du das alles für mich übernehmen?« Einmal fuhren wir noch zusammen aus, um einige Wochen nach der Eröffnung im Grand Palais die Retrospektive zu besuchen. Wir begleiteten Max in einem Rollstuhl durch die Säle und trafen auf einen anderen Rollstuhl, in dem sein Freund Man Ray saß.
Ein Jahr lang blieb Max auf seinem Krankenlager. Einige Tage entführten ihn die Freunde Pierre und Geneviève Hebey nach Villennes, in ihr Landhaus bei Paris. Ich hatte beide 1966 kennengelernt. Sie gehörten gleichfalls zu den Freunden, die täglich alles taten, um ihm und Dorothea das Leben zu erleichtern. Pierre brachte auch endlich Ordnung in das Verhältnis zu Verlegern und Druckern, sorgte dafür, dass Max für seine Bilder und Graphiken anständig bezahlt wurde. Ihm verdankt man auch, dass das plastische Werk von diesem Zeitpunkt an auf ordnungsgemäße Weise ediert wurde. Zu Beginn waren die ersten Güsse, die in der Nachkriegszeit gemacht und von Iolas angeboten wurden, nicht einmal nummeriert. Das rührte nicht zuletzt daher, dass lange überhaupt kein Interesse am plastischen Werk bestand. Kunst im zwanzigsten Jahrhundert war Malerei. Das zeigte sich auch im Falle Picassos. Man kann nicht behaupten, Kahnweiler habe sich um eine systematische Edition der Skulptur
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