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Mein Glueck

Mein Glueck

Titel: Mein Glueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Spies
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schlitzohrig. Er liefert keine Nippes, sondern dämonisiert den Gartenzwerg.
    Aus der Rückschau auf die fünfundzwanzig Jahre, während derer ich regelmäßig zu meinen Vorlesungen und Seminaren nach Düsseldorf reiste, bleiben für mich die Begegnungen mit Gerhard Richter und mit dem Ehepaar Becher zweifellos diejenigen, die mich am stärksten geprägt haben. Beuys, zu dessen Werk und Verhalten ich ein gespanntes, kritisches Verhältnis hatte, war zu der Zeit, da ich an der Kunstakademie begann, bereits vom damaligen Minister Johannes Rau entlassen worden. Ich traf ihn deshalb nur außerhalb der Akademie, bei Ausstellungen oder in seinem Atelier am Drakeplatz in Oberkassel. Bei Hans Mayer, der im selben Haus wie ich am Kaiser-Wilhelm-Ring in Oberkassel lebte, wurde ich Zeuge der Begegnung von Warhol mit Beuys. Bei diesem Anlass sprach ich mit Warhol auch über den Plan für ein Buch, das ich über den elektrischen Stuhl schreiben wollte. Ich hatte in einer Publikation des neunzehnten Jahrhunderts einen Aufsatz gefunden, der die Erfindung, Konstruktion und Funktion der Tötungsmaschine beschrieb und mit Zeichnungen erläuterte. Die glaziale Unmenschlichkeit, die sich hier aussprach, ließ mich nicht kalt. Warhol fand den Vorschlag spannend. Sein plötzlicher Tod vereitelte, dass wir uns nähere Gedanken über das Projekt machen konnten. Doch durfte ich zusammen mit Götz Adriani Warhol die erste Ausstellung nach dem Tode widmen. Sie galt der Serie »Andy Warhol – Cars«, die er im Auftrag von Mercedes-Benz in Angriff genommen hatte. Die Initiative ging auf Hans J. Baumgart und Hans Mayer zurück. Wir zeigten die Bilder, ehe sie nach New York ins Guggenheim Museum, nach Barcelona, Madrid, Tokyo und andere Orte wanderten, zunächst in der Kunsthalle in Tübingen. Der Plan – hundert Jahre Geschichte des Automobils am Beispiel der Daimler-Benz-Wagen zu zeigen – war weiter über das hinausgegangen, was schließlich zustande kommen konnte.
    Der Tod unterbrach die Serie. Eine bunte Spielwelt entwarf Andy Warhol in den letzten Bildern. Sicherlich nicht als Fan oder Kenner schöner Wagen, denn dieses Thema kennen wir in Warhols Werk sonst nur von der Nachtseite, von den »Car-Crash« - Bildern her. Dort finden wir Autos im Panoptikum des Horrors. Die Schreckensbilder stehen neben dem »Elektrischen Stuhl« oder neben den »Selbstmord« - Bildern. Die Brutalität der zerberstenden Autos besaß etwas Apotropäisches – sie verwies auf die Welt, die Warhol von sich wies, auf das Furiose des abstrakten Expressionismus. Auf sie spielte er im Gespräch an: »Die Welt der abstrakten Expressionisten war total macho … Dabei musste Jackson Pollock so sterben, wie er starb, und sein Auto zusammenfahren.« Offenkundig zählte das Auto in einer Zeit, als die Kritik an der überhandnehmenden Mobilität und die damit verbundene ökologische Diskussion noch kaum verbreitet waren, für Warhol bereits zu den Ikonen des Schreckens. Der Lobpreis des Autos durch Roland Barthes in seinen Mythologies fasste damals all das zusammen, was die Futuristen früh an dieser »neuen Schönheit« begeistern konnte: »Ich glaube, dass das Auto heute das genaue Äquivalent der großen gotischen Kathedralen ist.« Die Autos, die Warhol malte, wirken unantastbar. Es sind leere Autos. Der letzte Zyklus »Cars« überrascht aus zweifachem Grunde. Erstmals nimmt Warhol zum Thema einer Bildserie ein nichtamerikanisches Produkt. Denn die Pop-Art führte ausschließlich amerikanische Konsumgüter in die Malerei ein. Die Coca-Cola-Flaschen, die Suppendosen der Firma Campbell, die Holzboxen der Firmen Brillo, Kellogg, Heinz, Del Monte. Es sind genuin amerikanische, industrielle Erzeugnisse, so wie das Urinoir, das Duchamp 1917 unter dem Namen »R. Mutt« auf die Ausstellung der »Independents« eingesandt hatte und dessen Präsentation Duchamp in der zweiten Nummer von »The Blind Man« gegen diejenigen verteidigte, die meinten, es handle sich nur um ein Stück der Installationsbranche: »Was die Klempnerei angeht, so ist dies absurd. Die einzigen Kunstwerke, die Amerika vorzuweisen hat, sind seine Klempnerarbeiten und seine Brücken.« Dieses Zitat lässt mich an eine Stelle in einem Brief Hegels denken, auf die mich Henning Ritter aufmerksam gemacht hat. Hegel berichtet 1827 seiner Frau, dass er mit Victor Cousin ein Schlachthaus besichtigt habe. Und er schreibt dazu: »In welcher Stadt der Welt würde ich nach einem Schlachthaus fahren? Aber dies ist eine

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