Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)
lernt er es doch nie.«
Wanda sehnte den Tag herbei, an dem Franziska ihre eigene schlampige Brut erziehen würde, am besten Drillinge. Dann würde Wanda nicht mit guten Ratschlägen hinter dem Berg halten und sich königlich amüsieren. Aber bis dahin hieß es, Zähne zusammenbeißen.
»Er kann es jetzt nicht machen, weil er im Krankenhaus liegt, schon vergessen?«
Franziska schwieg betreten.
»Und auch wenn ich seinen Papierkram nur mal kurz überflogen habe – man braucht kein Einstein zu sein, um zu sehen, dass er in den Miesen ist. Dein Bruder ist fast pleite, meine Liebe. Kannst du heute nicht mal kurz vorbeikommen? Wenigstens herausfinden, woran es genau liegt? Ich muss hier schon die Stellung halten.«
Franziska seufzte demonstrativ. »Heute? Heute wollte der Norbi mit mir essen gehen.«
Norbi! Der Norbi konnte ruhig mal auf eine Mahlzeit verzichten. Herrgott noch mal, der Norbi konnte einen ganzen Monat lang auf Mahlzeiten verzichten und würde immer noch nicht vom Fleisch fallen. »Das könnt ihr doch hinterher noch machen.«
»Dann muss ich ihn mitbringen.«
War das eine Drohung? Wanda sah kurz Norberts Mopsgesicht vor sich, die kleinen Äuglein, die im Fett zu ertrinken schienen, die trotz seiner Jugend so ausgeprägte Stirnglatze mit den fusseligen Haaren ganz oben, als hätte er sich seine eigenen Schamhaare transplantiert. Ihre Tochter hatte einen grauenhaften Geschmack. Aber Wanda nahm ein Zusammentreffen mit dem schwammigen Langweiler gern in Kauf, wenn sie dadurch ein bisschen Ordnung in das Finanzchaos bringen konnte. »Klar, bring ihn mit. Freue ich mich.«
»Na gut. Wir kommen so gegen 17.00 Uhr.«
»Du bist ein Schatz.« Wanda legte auf und grinste zufrieden. Vielleicht konnten die beiden ja gemeinsam die Rechnungen durchgehen. Vielleicht wirkten unbezahlte Rechnungen ja aphrodisisch auf Norbert. Sie kicherte leise, und zur Strafe ging die Tür auf, und die erste Kundschaft des Tages stolzierte herein. Ein Pärchen. Seine Muskeln sprengten fast das T-Shirt, ihr Neontop gab den Blick auf einen braunen Bauch frei, der hart und flach wie die Karosserie eines Rennwagens war. Auch wenn Wanda es vor niemandem in der Welt zugegeben hätte, so verspürte sie doch beim Gedanken an ihren eigenen mürben Bauch einen Anflug von Neid. Alt zu werden war einfach nicht fair. Vielleicht sollte sie sich am Abend, wenn alle weg waren, noch mal diese Maschine vorknöpfen. Besonders, nachdem sie Bertram gegenüber so große Reden über Muskeln geschwungen hatte. Vielleicht kam der nette Kai noch mal? Der konnte ja von ihr aus auch länger bleiben, der würde sie wenigstens nicht auslachen, wenn sie sich anstellte wie der erste Mensch.
»Riecht gut hier«, sagte das Mädchen. »Sind das Lebkuchen?«
Wanda lächelte freundlich. »Das ist Chai. Wollen Sie eine Tasse?«
»Nicht vor dem Workout «, schnauzte ihr Partner. »Und schon gar nicht so eine süße Plörre. Und nach dem Workout braucht sie was mit Elektrolyten.«
»Mann, du bist so was von aggro!«, beschwerte sich das Mädchen leise. »Wie viele Pillen schluckst du eigentlich jetzt pro Tag?«
Der Typ antwortete nicht, sondern ging zum Kühlschrank und rüttelte an der Tür. »Ist zu.«
»Ja.« Wanda lächelte immer noch. »Was hätten Sie denn gern?«
Der junge Mann sah sie empört an. »Ich hole mir das immer selber.«
»Neue Regel.« Wanda schloss den Kühlschrank auf. »Ich händige die Drinks aus. Was darf’s denn sein?«
»Was soll denn der Mist?«
»Ein Wasser und ein Powerade«, lenkte das Mädchen ein.
Wanda holte das Gewünschte aus dem Kühlschrank. Na bitte, es ging doch. »Macht drei Euro.«
Der junge Mann riss die Augen auf. »Also, ich bezahle das immer erst am Monatsende. Bin doch ein Kumpel von Enrico und so.«
Wanda beugte sich interessiert vor. »Ach, sagen Sie bloß. Dann wissen Sie doch sicher, wo der sich aufhält? Wir versuchen dringend, ihn zu erreichen.«
»Also, so gut kenne ich den nun auch wieder nicht.«
Wanda bemühte sich weiterhin um ein geduldiges, wenn auch zunehmend dünneres Lächeln. Immer schön ruhig bleiben, genau wie damals auf der Eröffnungsfeier mit Wolfgang und seiner Neuen. »Dann macht das wohl doch drei Euro.«
Der Typ verdrehte die Augen, griff in seine Tasche und klatschte drei Ein-Euro-Stücke auf den Tresen.
Seine Freundin verzog entschuldigend den Mund. »Das sind die Steroide«, flüsterte sie Wanda vertrauensselig zu, als ihr Freund wütend davonstampfte. »Da wird er total
Weitere Kostenlose Bücher