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Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition)

Titel: Mein Gott, Wanda: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Herwig
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geschnitzt. Zusammen mit der krossen Haut, dem kurzen Igelschnitt und der Camouflage-Weste machte er den Eindruck eines in die Jahre gekommenen Kampfwichtels.
    »Das Solarium geht wieder, soweit ich weiß«, antwortete Wanda.
    »Gott sei Dank, na endlich.«
    Wanda wühlte in der kleinen Schublade herum. Wo waren gleich diese komischen Marken für das Solarium?
    »Radio im Arsch?«, erkundigte sich der Typ mitleidig und nickte in Richtung Anlage, aus der jetzt die ersten Klänge der »Auferstehung« von Mahler erklangen.
    »Hier.« Wanda hielt ihm die kleine gelbe Marke hin. »Macht fünf Euro. Ich nehme an, Sie wissen, wie das funktioniert?« Welche Frage, so wie der Typ aussah, lebte er in einer Sonnenbank. Wahrscheinlich schlief er zu Hause darin wie der Vampir im Sarg.
    Er blätterte Wanda einen Geldschein hin und winkte ab. »Ich weiß schon Bescheid. Bloß keinen Stress.«
    Wanda sah ihm nach, wie er den Gang entlang in Richtung Solarium steuerte, glücklich wie ein Außerirdischer, der nach jahrelangem Zwangsaufenthalt auf der Erde wieder auf seinen Planeten zurück durfte. Wenigstens hatte er anstandslos bezahlt. Und wenigstens sah Wanda neben ihm fast jung aus. Zum Glück hatte sie sich in ihrer Jugend nie so sehr dem Bräunungswahnsinn ergeben wie einige ihrer damaligen Freundinnen, die beim letzten Klassentreffen wie Komododrachen am Tisch gesessen und sich resigniert Jägermeister in den gegerbten Schlund gekippt hatten.
    Etwas mischte sich in die Musik. Wanda lauschte. Pfiff da jemand die Melodie mit? Aber wer? Hier war doch keiner, außer ihr selbst und E. T. da hinten in seiner Sonnenbank? Wanda schüttelte den Kopf. Es klang so nah, aber wie konnte das sein, sie hatte doch die ganze Zeit aufgepasst und niemand sonst war hereingekommen? Das Pfeifen kam von den Toiletten, da war eindeutig einer drin. Wanda marschierte schnurstracks zu dem Gästebuch, das am Tresen auslag und in das jeder Besucher seinen Namen eintragen musste. Der letzte unleserliche Krakel stammte von dem Mann im Kampfanzug eben, das hatte sie selbst beobachtet. Wer immer also auf dem Klo pfiff, war rotzfrech hier reingekommen, ohne sich anzumelden. »Na warte, Freundchen«, murmelte sie. Vor einem alleine hatte sie keine Angst. Immerhin ging es ja irgendwie auch um ihr Geld, denn wenn Stefans Herkules tatsächlich pleiteging, wer würde ihn denn dann wohl unterstützen müssen? Entschlossen baute sich Wanda vor dem Männerklo auf. Irgendwann musste der ja mal da rauskommen. Da. Eine Spülung rauschte, dann Wasser, dann schob sich die Tür einen Spalt auf. Wanda schnallte sich wieder ihr »Eiserne-Lady-Lächeln« um und holte tief Luft. »Würden Sie sich bitte noch ins Gästebuch eintragen?«
    Die Tür ging auf. »Gästebuch? Fürs Klo?« Vor ihr stand der Biker, der mit dem Kopftuch, und wischte sich die Hände an der schwarzen Lederkluft ab.
    Wandas Herz stürzte senkrecht in den Keller. »Äh«, machte sie hilflos. Verdammter Mist, was hatte der hier drin zu suchen? »Sind Sie Mitglied?«, fragte sie. Etwas anderes fiel ihr vor Schreck nicht ein.
    »Nee. Sehe ich so aus?«
    Nein, das tat er nicht. Hier liefen zwar eine Menge seltsamer Typen herum, aber dieser hier fiel in eine ganz andere Kategorie. In die Kategorie, die mit 200 km/h die Autobahn entlangkrachte, wahllos Gartenzäune, Tiere und Menschen dabei umnietete, Kleidung mit Totenkopfmuster trug und zum Frühstück rohes Fleisch mit dem Tranchiermesser verzehrte. »Und was«, fragte Wanda und merkte selbst, wie unnatürlich und altfrauenhaft krächzend ihre Stimme klang, »machen Sie da in der Toilette vom Herkules ?«
    Jetzt grinste der Mann. »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    Auf gar keinen Fall. Wanda bemerkte erst jetzt den ekelhaften Skorpion, der auf den Hals des Bikers tätowiert war, er kroch ihm regelrecht ins Ohr. In Bunt! Widerlich. Trotzdem. Sie schluckte heftig. »Hat Stefan Ihnen das erlaubt? Sind Sie Axel?«
    Der Biker sah überrascht aus. »Ja. Er hat mir den Schlüssel gegeben, für alle Fälle, wenn wir mal rein wollen, was trinken oder so.«
    Wanda schloss kurz die Augen. Was hatte ihr Unglückssohn eigentlich sonst noch alles so erlaubt? Und wem? Dann riss sie sich zusammen. Okay. Stefan hatte ihr versichert, dass die Biker keine Gefahr darstellten. Nur weil jemand gern Motorrad fährt, ist er nicht gleich ein kriminelles Bandenmitglied, das Laubenkolonien terrorisiert, Mama. Sie merkte, dass sich ihr Puls langsam beruhigte. Es sah nicht so aus, als ob

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