Mein Herz und deine Krone
vielleicht entsprach das nicht ganz der Wahrheit, zumindest, wenn er an die letzten Monate seiner desaströsen Ehe dachte, als ihn das unsinnige Verlangen überfiel, Christinas permanente Untreue mit gleicher Münze heimzuzahlen. Als wenn ihr das etwas ausgemacht hätte!
„Du bist frei, Bruder!“, hatte sein Bruder Alex ihn noch angestachelt. „Und mit Helias verfügst du über das perfekte Liebesnest. Statte es mit allem aus, was Frauen lieben. Mit luxuriösen Kleidern, sexy Dessous und kleinen, unverfänglichen Schmuckstücken für jede Gelegenheit. Denn das Einzige, was du auf deiner Liebesinsel nicht kannst, ist Shoppen gehen. Hör zu, sozusagen als Geschenk zu deiner Scheidung von dieser Harpyie übernehme ich das. Denn dass ich auf diesem Gebiet über weitaus mehr Erfahrung verfüge als du, ist ja wohl unbestritten!“
Und er hatte es tatsächlich getan. Vor exakt sechs Monaten hatte sich Andreas staunend die Fülle an Verführungs-Ingredienzien in seinem Gästetrakt angeschaut und darüber nur lachend den Kopf geschüttelt.
Doch Alex’ Ratschläge in Sachen Sex und Leidenschaft ohne Reue auszuprobieren, dazu hatte er bisher noch keine Gelegenheit gehabt. Und aus einem unerfindlichen Grund auch wenig Lust.
Obwohl … jetzt, da Holly in diesem aufregenden Kleid wie eine Rachegöttin und gleichzeitig die personifizierte Verführung vor ihm stand …
Nein! Er musste standhaft bleiben.
„Dann hast du dich also doch noch dazu entschlossen, mir beim Dinner Gesellschaft zu leisten“, stellte er so gleichmütig wie möglich fest.
Auch Holly hatte sich inzwischen wieder unter Kontrolle und zuckte anscheinend achtlos die bloßen Schultern. „Wenn du immer noch darauf bestehst …“
„Das tue ich.“
„Fein.“ Mit vorgerecktem Kinn strebte sie an ihm vorbei, ehe ihr Andreas galant seinen Arm anbieten konnte. So blieb ihm nichts weiter übrig, als ihr zu folgen und fieberhaft zu überlegen, wie er jetzt klugerweise weiter verfahren sollte.
4. KAPITEL
Sie saßen einander gegenüber und aßen in tiefem Schweigen.
Andreas war daran gewöhnt. Christina und er hatten seit Jahren kaum noch ein Wort miteinander gewechselt, doch das Palastprotokoll forderte, dass sie zusammen am Tisch saßen, deshalb war für ihn Ruhe beim Essen die Norm.
Doch dieses Schweigen war anders. Es war angespannt und geladen mit … ja, womit eigentlich? Mit Ärger, Frustration und … Begehren?
Ja, dachte Andreas und schaute verstohlen zu Holly hinüber. Sie griff herzhaft zu und stocherte nicht auf ihrem Teller herum, wie Christina es immer getan hatte. Sie schien entschlossen zu sein, jeden einzelnen Bissen des köstlichen Mahls, das Sofia so liebevoll wie meisterhaft zubereitet hatte, mit allen Sinnen zu genießen. Es war eine wahre Freude, ihr dabei zuzuschauen.
Überhaupt bot sie einen so reizenden und verführerischen Anblick, dass Andreas nicht hätte sagen können, was er sich gerade in den Mund geschoben hatte, würde ihn jemand danach fragen.
Im Umgang mit Christina war Sofia immer äußerst zurückhaltend gewesen. Ganz die treu ergebene Angestellte, die genau wusste, wo ihr Platz war. Doch als Holly beim Versuch, die harte Schale zu knacken, der ganze Hummer vom Teller rutschte, stimmte sie fröhlich in ihr spontanes Kichern mit ein und eilte ihr wie selbstverständlich zu Hilfe.
„Du musst noch härter kämpfen“, riet sie ihr, und bei dem Blick, den die beiden Frauen tauschten, wurde Andreas seltsam unbehaglich. Holly lächelte Sofia offen an. In den wenigen Tagen, die sie auf der Insel verbracht hatte, schienen die beiden ungleichen Frauen dicke Freundinnen geworden zu sein.
Plötzlich fühlte er sich ausgeschlossen. Konnte er nicht auch Hollys Freund sein? Immerhin hatten sie einander vor langer Zeit sogar geliebt.
Nein, das würde mir gar nicht reichen, gestand sich Andreas offen ein. Ich will von Holly mehr als nur Freundschaft. Ich will sie heiraten!
Auch, wenn es nur eine formale Heirat sein würde, mehr nicht. Das hatte Sebastian ihm unmissverständlich klargemacht.
„Diese Ehe wird nicht allzu lange andauern müssen, Andreas. Du heiratest sie, bietest der Bevölkerung und der Presse die gewünschte Märchenhochzeit, und sobald die innerstaatliche Krise überwunden ist, trennst du dich ganz unauffällig und ohne großes Aufheben von ihr. Du verbreitest einfach, dass sie krank vor Heimweh sei und du sie aus Liebe und Mitleid ziehen lässt. Diese selbstlose Einstellung wird deine Akzeptanz in der
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