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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Richard geschrieben hatte: »Ich glaube, bisher hat noch kein Schriftsteller Dublin der Welt dargestellt«, wird es so akribisch tun, daß, würde die Stadt zerstört werden, sie nach seinen Büchern rekonstruiert werden könnte. Eigentlich war alles, was James Joyce schrieb, Dublin.
    Die erste Idee zu »Ulysses« taucht 1906 auf- damals war Joyce Bankangestellter in Rom. Erscheinen wird das Buch jedoch erst sechzehn Jahre später, am 22. Februar 1922, seinem vierzigsten Geburtstag, in einem Pariser Verlag. Seine »Dubliners« waren schon 1914 veröffentlicht worden, »Finnegan’s Wake«, 1922 begonnen, kommt 1939 in London und New York heraus. Er ist bekannt mit Eluard, Valéry, mit Pound, Beckett, Larbaud, T. S. Eliot, und von ihnen anerkannt. Aber seinen Ruhm, das Mysteriumjoyce, wird er nicht mehr erleben. 1940, im zweiten Jahr des Weltkriegs, siedelt er in die Schweiz über, nach Zürich. Dort stirbt James Joyce am 13. Januar 1941 im »Schwesternhaus vom Roten Kreuz« an den Folgen eines Zwölffingerdarmgeschwürs und wird zwei Tage später auf dem Friedhof Fluntern begraben.
    Nora Barnacle-Joyce überlebt ihren Mann um mehr als zehn Jahre, bis zum 10. April 1951. Weitere fünfzehn Jahre wird es dauern, bis die Stadt Zürich 1966 der Familie Joyce ein Ehrengrab stiftet.
     

Hier war Leopold Bloom
     
    Der in James Joyce Tower umbenannte Wehrturm von Sandycove, über dem die sternenbestückte Europaflagge weht, ist seit dem 16. Juni 1962 eine Art Museum.
    Im Zwischenstock der Bastion stoße ich auf eine Bronzekopie der Totenmaske, abgenommen in Zürich noch am Sterbetag und hier unter Glas. Dann geht es eine Wendeltreppe hoch, die so eng ist, daß zwei Personen nicht aneinander vorbeikommen. Hat man es geschafft, ist man im Round Room, auf jener inneren Plattform, die Joyce, Gogarty und Trench als Aufenthalts- und Schlafraum diente. Und gleich hier zeigt sich schon die typische Vermischung von Wirklichkeit und Fiktion.
    Denn was hat in diesem Raum mit den historischen Utensilien seiner drei Bewohner die Statue eines schwarzen Panthers zu suchen? Die muß auf jeden Fall später hinzugefügt worden sein, denn Trenchs wüster Traum von dem Raubtier mit dem anschließenden Rundumgeballere war doch nicht durch dessen Verkörperung ausgelöst worden.
    Konsternierte Erinnerung an einen Gang durch Dublin nach der Geographie des »Ulysses«: »Hier war am 16.Juni 1904 Leopold Bloom«, las ich auf einer der vierzehn in die Bürgersteige eingelassenen Bronzeplatten, die die Stationen des erdichteten Anzeigenwerbers im Zentrum der Liffeystadt zwischen Middle Abbey Street und Kildare Street genauestens nachzeichnen.
    »Hier war ...« - die fiktive Romanfigur ist wirklicher, als ein lebender, ein historischer Leopold Bloom je hätte sein können.
    Aber dann möchte man im Round Room des Martello Tower von Sandycove doch lieber nicht daran zweifeln, daß, wenn schon nicht der schwarze Panther, wenigstens die anderen Utensilien und Requisiten - »Please do not touch the exhibits« - echt sind. Ein alter Herd und eine alte Petroleumlampe, neben dem Bett eine Hängematte, an der Wand ein Bord mit Gläsern, Metallbehälter für Kaffee und Tee, schwere eiserne Töpfe, Bücher, Teller. Guinness-Flaschen, alte Schachteln - Peppermint lumps. Und unterm Bett der Koffer, mit dem die Familie durch Europa gereist ist, ein braunes Ungetüm mit zwei ledernen Griffen an der Seite. Der jedenfalls muß »historisch« sein.
    Hier spielt, Chapter one, die Anfangsszene von »Ulysses« mit dem Frühstück.
    Das Museum zeigt Erstdrucke und verschiedene Ausgaben von »Dubliners«, »Finnegan’s Wake« und »Ulysses«, persönliche Dinge wie Rohrstock (Joyce war auch Lehrer), Brille, Pfeife, Weste und seine Gitarre. Die hatte Joyce 1916 einem Italiener geschenkt, der sie fünfzig Jahre später, am 1. März 1966, in »Gedenken an einen treuen Freund« dem Museum in Sandycove übergab.
    Von Neill S., meinem motorisierten Dubliner Cicerone, der draußen wartet, weil er hier schon hundertmal gewesen ist, erfahre ich, daß Joyce, wie sein Vater, ein großer Sänger gewesen sei.
    Obwohl ein Bewunderer von James Joyce, war Neill S. doch um keinen Preis zu bewegen, mit hineinzukommen. »Verstehen Sie? Ich kenne den Mann in- und auswendig. Da kann nichts mehr dazukommen.«
    Aber was hält er von ihm? Davon will ich mehr wissen, später. Jetzt stockt er, als habe er etwas Mißverständliches gesagt, und fugt an: »Aber natürlich fahre ich Sie in der

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