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Mein Jakobsweg

Mein Jakobsweg

Titel: Mein Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Sauer
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oben auf dem Bergrücken, und so entschließe ich mich, dort noch etwas zu essen. Ich trinke Saft aus frischen Apfelsinen und bestelle ein bocadillo. Dahinter verbirgt sich ein Riesenstück Brot mit sehr viel Schinken darauf. Ein herrliches Mahl!
    Den Rest packe ich für den Abend ein. Wie unterschiedlich doch die Preise sind, fällt mir wieder einmal auf, hier bezahle ich gerade mal drei Euro.
    Als ich vor der Herberge im Tal anlange, warten dort bereits 20 oder 30 Pilger. Britta ist auch dabei. Wir begrüßen uns freudig und haben einander viel zu erzählen.
    Hier lerne ich auch Norbert kennen. Er pilgert schon zum fünften Mal und ist sicherlich gute 70. Im vorigen Jahr, sagt er, waren wir hier nur sieben Pilger.
    Die Herberge ist ganz toll. Sie hat Wände aus grauem Naturstein wie so viele alte Häuser hier, ist aber sehr gut renoviert. Auch innen sind die Räume in einem prima Zustand und ganz sauber. Auf einer großen Wiese hinter der Herberge steht ein Anbau mit Waschräumen, vielen Duschen und Toiletten sowie Waschmaschinen und extra Waschbecken für die Kleidung. Auch die Jeans wird gewaschen, schließlich möchte ich in Santiago zur Feier des Tages in sauberer Kleidung ankommen.
    Am frühen Nachmittag ist die Herberge bereits komplett belegt. Enttäuscht müssen die Pilger weiter. Meine Wäsche ist inzwischen buchstäblich in Windeseile getrocknet. Die Brise treibt schwarze Wolkenmassen vor sich her; es wird ein Gewitter geben, lange kann es nicht mehr dauern. Bevor es so weit ist, gehe ich noch einmal hinauf zum Gasthaus. Die Aussicht von hier oben ist so schön! Inmitten von Äckern und Wiesen schlängelt sich der Fluss durch ein stilles und friedvolles Tal.
    Hier oben komme ich mit einem Ehepaar aus Linz ins Gespräch. Sie sind den oberen Pilgerweg gegangen: am Atlantik entlang, über Santander. Kälte und Regen hätten ihnen anfangs schwer zu schaffen gemacht. Auch die Anstiege seien viel steiler. Sehr oft war der Pilgerweg nur ein schmaler Trampelpfad, ja manchmal sei er gar nicht zu erkennen gewesen. Die Stille der Natur habe sie aber für die Strapazen entschädigt. Fünf Wochen sind sie in absoluter Einsamkeit gewandert. Dass sie das letzte Wegstück hier auf diesem überfüllten Weg gehen müssten, sei ein richtiger Schock. Letztes Jahr sei es ganz anders gewesen. Da waren sie auch den direkten Weg über Burgos und León gegangen, als in den Herbergen vielleicht zehn oder zwölf Pilger übernachteten. Abends hätten sie zusammen gekocht und gemeinsam gegessen. Das sei noch richtiges Pilgern gewesen.
    Mein größtes Problem ist der schmerzende Fuß, erzähle ich, aber die überfüllten Herbergen, in denen ab Mittag alle Betten belegt sind, machen mir auch zu schaffen. Heute bin ich nur wenig gegangen, das war ganz gut. Aber was mache ich morgen und übermorgen?
    Fahr mit dem Bus, raten mir die beiden. Du bist schon so weit gepilgert, jetzt kommt es nur noch darauf an, dass du gesund in Santiago ankommst. Was hast du davon, wenn du in Santiago gar nicht mehr gehen kannst?
    Immer mehr Regenwolken kommen über den Horizont. Die beiden müssen noch bis Arzúa und beschleunigen ihre Schritte. Auf dem Weg den Berg hinunter bewundere ich ihren sicheren Gang, solange ich sie sehen kann. Dabei sind sie bestimmt nicht jünger als ich.
    Schließlich verdecken die schwarzen Wolken die Sonne und gehen über unserem Tal nieder. Es ist, als wollte der Himmel die Erde berühren. Blitz und Donner lösen die Hitze des Nachmittags ab, und im Nu verwandelt sich der so gemächlich dahinfließende Fluss Iso in ein reißendes Gewässer. Wehe dem, der sich zum Schutz vor dem Regen unter eine Brücke gestellt hat. Als gingen sie mitten durchs Wasser, sehen wir noch immer Pilger den Berg herunterkommen. Völlig erschöpft und durchnässt klopfen sie an unsere Tür. Es findet sich auch immer jemand, der ihre Sprache spricht und der ihnen den Wohnraum zeigt, in dem sie sich auf Tischen und Stühlen ein Nachtlager herrichten können. Anfangs können noch einige von uns ihre Isomatten geben, manche können die Decke entbehren. Aber ob sie es wirklich alle warm genug haben? Ich möchte nicht mit ihnen tauschen.
    In dem Bett über mir schläft heute Nacht ein junges spanisches Paar. Weil ich glaube, sie könnten im Schlaf von oben runterfallen, biete ich ihnen meines an. Aber sie lehnen ab und sind die ganze Nacht über so still und ruhig, als wären sie gar nicht da. Zwei junge Freundinnen, aus Luxemburg und Italien, schlafen

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