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Mein Leben für dich

Mein Leben für dich

Titel: Mein Leben für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loewe
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Abseits drängen wollte. Wie blöd und kurzsichtig kann man nur sein? Ausgerechnet ich, die alles richtig machen, die nach dieser beschissenen Beziehung mit Chris endlich die große, wahre Liebe erleben wollte. Und dann greife ich ein weiteres Mal ins Klo. Und zwar noch tiefer in die Scheiße hinein, wie es Simon wahrscheinlich ausdrücken würde. Wie soll ich mir bloß jemals wieder selbst vertrauen können?
    Ich kaufe mir an einem der vielen Kioske einen Kaffee im Pappbecher und schlendere weiter. Oft habe ich gehört, dass man sich komplett leer fühlt, wenn man von einem nahestehenden Menschen sitzen gelassen wurde, und ich habe mir das immer so vorgestellt, als hätte dieser Mensch einfach alles, was man ihm von sich gegeben hat, mitgenommen und man stünde nun vollkommen blank da, würde gar nichts mehr spüren, noch nicht einmal Traurigkeit. So als wäre man tot. Das muss furchtbar sein.
    Mir geht es nicht so, denn da ist dieses schreckliche, erdrückende Gefühl von Einsamkeit. Es ist kaum auszuhalten, aber es macht mir wenigstens deutlich, dass ich noch am Leben bin und noch etwas von mir übrig ist. Das ist trotz allem irgendwie tröstlich.
    Ein einziges Mal, fällt mir plötzlich ein, ein einziges Mal habe ich einen Anflug von totaler Leere in mir gespürt, wie einen dunklen Schatten. Und schon dieses Gefühl hat mir eine riesige, nie gekannte Angst eingejagt. Ich dachte, ich stehe vor einem großen schwarzen Loch, das mich in sich hineinziehen will und in dem es kein Ufer, kein Ziel, keine Möglichkeit gibt, sich festzuhalten. Die totale Orientierungslosigkeit. Das war am Tag meines vorgetäuschten Bootsunglücks. Nachdem Simon mir mit diesem eigenartigen Gesichtsausdruck gesagt hatte, es wäre vielleicht besser, wenn er ginge.
    Ein Schauer rinnt mir bei der Erinnerung daran über den Rücken. »Verrückt«, murmele ich vor mich hin, »Gefühle sind so … unglaublich verrückt.«
    Ich betrachte die vielen unterschiedlichen Leute, die mir entgegenkommen. Lachende, verkniffene, entspannte, zufriedene, abgehetzte, verträumte und überhebliche Gesichter. Es muss ein riesiger Zufall sein, ausgerechnet demjenigen über den Weg zu laufen, der zu einem passt. Und ebenso, dass man es überhaupt erkennt, wenn einen das richtige Gesicht anblickt, und man nicht abgelenkt oder geblendet wird oder im entscheidenden Moment wegsieht.
    Mein Blick schweift über das Wasser, das sich in einem klaren Hellblau mit dem Himmel vermischt. Ich bleibe abrupt stehen. Wie gebannt starre ich auf den Horizont und seine unwirkliche Färbung. Ich kann mich nicht mehr davon lösen, tauche förmlich darin ein, und schließlich habe ich das Gefühl, ganz in diesem Hellblau zu versinken. Wie damals am Elbufer, als ich zum ersten Mal nicht weggesehen, sondern in Simons Augen geblickt habe. Und plötzlich begreife ich, dass diese schreckliche Einsamkeit in mir gar nicht daher rührt, dass ich Kai verloren habe. Ich konnte ihn gar nicht verlieren, denn ich habe ihn ja überhaupt nicht richtig gekannt. Und auch ich habe ihm nie meine echten Gedanken und Gefühle anvertraut. Ich habe mich immer nur verstellt, weil ich ihm unbedingt gefallen wollte. Ich vermisse ihn nicht. Ich fühle mich deshalb so einsam und unglücklich, weil …
    Ich reiße meinen Blick vom Horizont los. Mein Herz rast. Wie konnte ich nur so blind sein? Die ganze Zeit über! Er ist es, den ich vermisse. Simon. Mein Bodyguard. Und er ist es, der vor mir gestanden, der mich angesehen und angelächelt und mich zum Lachen, zum Toben und zum Nachdenken gebracht hat. Und ich … ich habe weggesehen und es nicht ertragen, ihm in seine Augen zu blicken, weil er meinem Bild von einem perfekten Freund nicht entsprochen hat, weil ich dachte, er passt nicht in mein Leben. Ich hatte Angst vor meinen wahren Gefühlen und nun wendet er sich mehr und mehr von mir ab. Ich bin dabei, ihn zu verlieren.
    Meine Beine beginnen, sich wie von selbst zu bewegen. Ich gehe, laufe, renne die Landungsbrücken hinunter. Ich erinnere mich daran, wie er mich damals aufgefangen hat, als ich von der Treppe gefallen bin, wie wir uns fast totgelacht haben, als wir im Kaufhaus Modenschau gespielt haben, wie er sich auf der Bühne vor dem Theater auf mich warf, um mich zu beschützen, wie er sich über mich gebeugt hat, nachdem wir am Elbstrand herumgealbert hatten, wie nervös er war, als er mir den Umschlag mit dem Geldschein und seinem Brief gegeben hat. Ich erlebe alles, was wir zusammen erlebt haben, noch

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