Mein Leben für dich
Kleine nicht so verdammt zickig wäre, dann könnte ich für nichts garantieren …
»Grün!«
»Hä?«
»Es ist grün, Bodyguard !« Das Wort »Bodyguard« trieft nur so vor Spott.
»Oh … klar.« Ich räuspere mich und lenke meine Aufmerksamkeit schnell wieder auf die Straße, um nicht noch weiteren irren Fantasien zu verfallen.
Chagall … So ein Quatsch!
Mia
»Und? Gefällt dir das Stück?«, frage ich meinen ungehobelten Sitznachbarn. Es ist Pause und ich bin hin und weg. Viele Passagen aus Shakespeares Viel Lärm um nichts kenne ich so gut wie auswendig und trotzdem bekomme ich bei manchen Textstellen immer noch eine Gänsehaut. Ich liebe diese Sprache und die Inszenierung ist einfach traumhaft.
»Ja, doch«, brummt mein neuer Babysitter, »ist so weit ganz okay.«
Ganz okay? Ich schüttle den Kopf. Simon Winter wirkt total benebelt, so, als hätte ich ihn aus dem Tiefschlaf gerissen. Was vermutlich auch stimmt. Aber was hatte ich auch anderes erwartet? Immerhin ist es sein Job, sich zu prügeln und coole Sprüche zu klopfen. Da ist für Kunst und Kultur natürlich kein Platz. Wenn ich es mir recht überlege, kenne ich allerdings keinen Jungen, der freiwillig ins Theater gehen würde. Chris hätte ich allerhöchstens für ein Stück begeistern können, in dem es um Sport, Wettkämpfe und Massenschlägereien geht. Ob ich überhaupt jemals den Mann meiner Träume treffe? Einen, dem es nicht nur darum geht, zu posen und sich mit anderen zu messen, sondern mit dem ich reden kann und den es interessiert, was ich denke? Der mir richtig zuhört? Mit dem ich lachen und Spaß haben kann und der sich trotzdem nicht zu cool ist, zuzugeben, dass es abgesehen von der Sportschau und Boxkämpfen noch andere interessante Dinge gibt?
Janine hat mich immer ausgelacht, wenn ich ihr erzählt habe, wonach ich mich sehne. Sie sagt, solchen Männern läuft man ähnlich häufig über den Weg wie einem Tyrannosaurus Rex. Man findet sie nur noch auf der Kinoleinwand. Deshalb soll eine Frau lieber gleich auf Dinge bei einem Mann achten, die heutzutage eine Rolle spielen: das Aussehen und der Umfang des Geldbeutels. Wer weiß, wahrscheinlich hat sie recht und ich sollte mich besser so früh wie möglich von meinen Wunschvorstellungen verabschieden und bei der Männerwahl nach anderen Maßstäben vorgehen.
Ich schiele zu Simon Winter, der sich gerade von seinem Sitz erhebt, gähnt und sich durch die verwuschelten dunkelbraunen Haare fährt. Schade, dass er bloß ein hirnloser Securityguard ist, denke ich. Er sieht echt super aus. Und wenn er etwas galanter wäre und nicht mein Bodyguard … Vorhin habe ich mir sogar kurz vorgestellt, er und ich würden zusammen dort unten auf der Bühne stehen, als Beatrice und Benedikt, die sich erst gegenseitig anfrotzeln, später aber merken, dass sie sich eigentlich ziemlich gut finden. Der Gedanke daran ist mir jetzt mehr als peinlich und ich räuspere mich laut, als könne ich ihn damit aus meinem Kopf verjagen.
»He, ich würde gerne runter ins Foyer gehen und etwas trinken«, sage ich und versuche, meine Stimme bestimmt klingen zu lassen. Ich bin schließlich die, für die Simon Winter arbeitet. Außerdem darf ich mein Vorhaben, mich in der Gesellschaft zu etablieren und auf mich aufmerksam zu machen, nicht vergessen, nur weil irgendein veraltetes Theaterstück seltsame Fantasien in mir auslöst.
»Klar doch … gehen wir was trinken«, meint er gelangweilt. »Ist echt ziemlich stickig hier.«
Dieses Mal bin ich es, die voranläuft. Und dieses Mal hebe ich vorsichtshalber auch den Saum meines Kleides ein bisschen an, als ich die Stufen hinunter ins Foyer steige, damit ich nicht noch mal auf der Nase lande. Wobei das in diesem Fall vielleicht nicht einmal das Schlimmste wäre, denn am Fuß der Treppe erspähe ich … Kai Thalbach. Mein Herz macht einen kleinen aufgeregten Hopser.
»Mia?«
Er erkennt mich sofort und so, wie er mich anstrahlt, freut er sich anscheinend ehrlich, mich wiederzusehen. Ich winke ihm zu.
»Hey, das ist ja toll, dass du auch hier bist. Ich dachte mir schon vorhin, dass ich dich in der Loge gesehen hätte, aber sicher war ich mir nicht. Meine Güte, also … du siehst ja wirklich umwerfend aus.« Kai nimmt meine beiden Hände in seine, betrachtet mich von oben bis unten und zieht mich dann an sich, um mir rechts und links ein Küsschen auf die Wange zu drücken. Er duftet unglaublich. Nach Sun for men von Jil Sander. Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass
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