Mein Leben für dich
Ahnung«, gibt sie zurück. »In meiner Position gehört es eben dazu, dass man Konversation betreibt.«
»In deiner Position?« Ich lache laut auf. »Sorry, aber du bist schließlich nicht die Queen von England.«
»Stimmt. Zum Glück.«
Stöhnend drehe ich mich um und besorge mir noch eine Cola.
»Mia Falkenstein?« Ein Typ in Anzug rempelt mich plötzlich an und stürmt, begleitet von einem grellen Blitzlichtgewitter, an mir vorbei und auf Mia zu. Mia zuckt erschrocken zusammen und das Lächeln verschwindet von einer Sekunde auf die andere aus ihrem Gesicht.
Ich lasse meine Cola stehen und stürze reflexartig mich an ihre Seite. »He, he, he, Moment mal …« Ich schiebe mich zwischen Mia und den Typen und halte, so gut es geht, die Hände vor seine Kamera. Mir ist klar, dass wir von den anderen Leuten neugierig beäugt werden. Endlich passiert etwas wirklich Aufregendes, steht in ihre gelangweilten Gesichter geschrieben. Toll, und schon bin ich auch mitten auf der Bildfläche. Das ist ganz mein Ding! Jetzt heißt es cool bleiben.
»Mia, stimmt es, dass Ihr Vater Sie nur deshalb aus dem Internat geholt hat, weil man ihm in anonymen Briefen gedroht hatte, Sie zu entführen und Lösegeld zu erpressen?« Der Reporter versucht, sich an mir vorbeizudrängen, und ich habe Mühe, ihn zurückzuhalten. Mia drückt sich gegen meinen Rücken und ich spüre ihren Brustkorb, der sich hastig hebt und senkt.
»Was? Nein, davon weiß ich nichts. Ich meine … Was für Drohbriefe denn? Ich …« Sie stockt, ihre Stimme ist dünn und brüchig. Sekunden vergehen, in denen es totenstill ist. Nur Mias flachen Atem kann ich vernehmen. Ich erinnere mich an die Nacht, als die Sirenen losgingen und ich mich nicht mehr rühren konnte, und ich weiß, Mia geht es in diesem Moment genauso wie mir damals.
»Nein, das ist nur ein Gerücht«, höre ich mich plötzlich in die Stille hinein sagen. Der Reporter sieht mich fragend an. »Mia wollte zurück nach Deutschland, um wieder in der Nähe ihres Vaters zu sein und hier ihr Abitur zu machen.« Ich habe zwar keinen blassen Schimmer, was ich da gerade labere, aber irgendwie habe ich das Gefühl, Mia aus dieser Situation befreien zu müssen, egal wie. Der Pressefuzzi mustert mich abschätzig, dann versucht er erneut, sich an mir vorbeizuschieben.
»Es heißt, Sie hätten Ihren Bodyguard Sebastian Berg mit Ihren Launen und Beleidigungen in die Flucht geschlagen. Er sagte meinen Pressekollegen gegenüber, Sie wären unreif und verzogen. Was sagen Sie dazu, Mia?«
»He, geht’s noch? Jetzt halten Sie sich gefälligst mal zurück«, fahre ich den Reporter an. Langsam geht mir dieser penetrante Typ echt auf den Sack und ich habe nicht wenig Lust, ihn mit meiner Faust bekannt zu machen. Aber seltsamerweise fällt mir just in diesem Moment Mias Aussage von vorhin ein. Sie meinte, sie hasst Männer, die sich prügeln. Vielleicht ist das der einzige Grund, warum ich mich zusammenreiße und es noch einmal auf die vernünftige Tour versuche. »Also«, sage ich so ruhig wie möglich, »Sie können gerne Ihre Fragen stellen, aber bitte hören Sie auf, Mia so zu bedrängen! Sie sehen doch, dass sie sich nicht wohlfühlt.«
Mia traut sich wieder ein bisschen hervor, aber ich merke, dass sie noch immer ziemlich durcheinander ist. Ihre Augenlider flattern nervös, als sie ihren Blick über die vielen Gesichter wandern lässt, die alle auf sie gerichtet sind. Mit zwei Fingern hält sie sich am Saum meines Jacketts fest, als würde ihr diese kleine Verbindung Halt geben. Irgendwie berührt mich diese Geste total und kurz vergesse ich, dass Mia eben noch dabei war, mich tierisch zu nerven.
»Ich wollte Herrn Berg doch gar nicht beleidigen, das war ein Missverständnis, nur Spaß und …«
Mia bricht erneut ab. Sie schafft es nicht, sich aus der Sache herauszuwinden, sosehr sie sich auch bemüht. Es hilft nichts, ich muss einspringen, das ist mein Job, dafür bezahlt mich ihr Vater. Ich hole Luft. »Mia Falkenstein und Herr Berg haben sich auf persönlicher Ebene nicht besonders gut verstanden«, erkläre ich, obwohl ich keine Ahnung habe, was mit meinem Vorgänger passiert ist. Aber ich schätze, die Wahrheit interessiert hier sowieso niemanden. »Nur aus diesem Grund haben sie sich getrennt. Äh … und zwar einvernehmlich. Ansonsten ist nichts vorgefallen. Es gab weder Beleidigungen noch Vorwürfe, noch … äh …« Oh Gott, mir fehlt eindeutig das Vokabular für solche Reden. Aber woher hätte
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