Mein Leben für dich
gehabt.«
»Ach komm, das geht doch nicht, ich meine …« Aus den Augenwinkeln sehe ich schon wieder, wie sich Simons Lippen zu einem siegessicheren Lächeln verziehen. Aber dieses Mal werde ich nicht kampflos aufgeben. Ich muss nur taktisch klug vorgehen und darf nicht gleich lauthals protestieren, damit komme ich nicht weit. Am Abend wird mich mein Vater nie allein losziehen, geschweige denn bei einem Mann übernachten lassen. Ich muss kleine harmlosere Forderungen stellen und spontan sehen, wie ich meine Freiheitsmomente in die Länge ziehen kann.
»Okay«, lege ich los und bemühe mich um einen sehr erwachsenen und sehr kompromissbereiten Ton. »Simon kann mich ja nach wie vor am Abend begleiten. Aber am Nachmittag hätte ich gerne ab und zu ein paar Stunden, in denen ich mich ungestört mit Kai treffen und ihn in aller Ruhe kennenlernen kann, ohne dass uns immer jemand aus ein paar Meter Entfernung beobachtet. Sonst werden wir nie feststellen, ob wir wirklich zueinander passen.« Sehr gut, lobe ich mich selbst, du klingst sehr vernünftig und weitsichtig, Mia. Er muss merken, dass du verantwortlich mit dem Thema umgehst.
Mein Vater legt nachdenklich den Zeigefinger an die Lippen. Ich schließe die Augen. Bitte, bitte, bitte, flehe ich stumm.
»Nun gut, ich sehe ein, ein bisschen Privatsphäre ist wichtig«, sagt er schließlich.
Ja!, denke ich und schicke ein Dankgebet gen Himmel.
»Und auch Herr Winter braucht hin und wieder etwas Zeit für private Angelegenheiten. Also, sagen wir, an zwei Nachmittagen die Woche.«
»An drei«, pokere ich.
»Meinetwegen an drei. Jeweils für drei Stunden. Montag, Mittwoch und Freitag. Aber nur solange noch Ferien sind, danach sehen wir weiter. Immerhin steht dein Abitur bevor, und das ist wichtiger als jede Verabredung. Herr Winter, Sie bleiben trotzdem während Mias freien Stunden in Bereitschaft. Meine Tochter muss Sie im Notfall immer telefonisch erreichen können. Sie wissen ja, wie wichtig mir das ist!«
Mein Vater wirft Simon einen ziemlich intensiven Blick zu, der fast schon verschwörerisch wirkt.
»Ach, und – Mia?«
»Hm?«
»Du wirst Herrn Winter immer genauestens darüber informieren, wo du steckst. Leider muss ich morgen für drei Wochen nach Freiburg, aber anschließend will ich deinen Freund auf der Stelle kennenlernen, haben wir uns verstanden? Immerhin habe ich immer noch die Verantwortung für dich.«
Ich bin zwar nicht sonderlich begeistert und hätte nicht wenig Lust, etwas Bissiges zu erwidern, aber ich beiße mir auf die Zunge. Der heutige Vormittag hat mir zwar einige Peinlichkeiten beschert, aber dafür konnte ich mir auch ein kleines Stückchen Freiheit erobern. So lassen sich die Monate bis zu meinem achtzehnten Geburtstag hoffentlich überstehen und danach wird sowieso alles anders.
»Und?«, fragt Simon Winter. »Bist du so weit fertig?«
»Wofür denn?«
»Ich dachte, wir gehen baden.« Mein Bodyguard zieht grinsend die Augenbrauen hoch. »Du brauchst gar nicht zu überlegen. Heute ist Dienstag und damit Bodyguardtag. Außerdem: Ich habe schon meine Badehose an.«
Simon
»Dahinten, unter den Baum?«, schlage ich vor.
Mia verdreht die Augen. »Nein, du hast mal wieder gar nichts verstanden«, stöhnt sie. »Man geht schließlich zum Baden, um braun zu werden.«
»Oh, Verzeihung, die Dame, ich dachte eigentlich, um zu baden. Aber okay, wenn du dir unbedingt Hautkrebs holen willst …«
»Mann, du kannst einem ja die ganze Sommerlaune verderben«, beschwert sich Mia und breitet ihr großes rosafarbenes Badelaken aus. Mit ihren hochgesteckten braunen Locken, in denen eine hellgrüne Stoffblume steckt, dem beigen, luftigen Sommerkleid und den goldenen Flipflops sieht sie wirklich zum Anbeißen aus und die meisten Typen in unserer Nähe werfen ihr interessierte Blicke zu. Irgendwie verspüre ich einen Anflug von Stolz, dass ich es bin, der sein Handtuch neben ihrem ausbreiten und ihr so nahe sein darf, auch wenn das nicht einmal ansatzweise mit Romantik zu tun hat. Aber allein der Gedanke, dass wahrscheinlich alle um uns herum annehmen, ich wäre ihr Freund, gefällt mir. Wobei alle anderen ja auch nicht wissen, wie giftig diese kleine zierliche Person manchmal sein kann. Ich ziehe mein T-Shirt aus, lasse mich auf mein Handtuch fallen und schiele zu Mia rüber. Dabei merke ich, dass auch sie mir just in diesem Moment einen verstohlenen Blick zuwirft. Wie ertappt schauen wir beide weg.
Ich schätze, dass wir uns die ganze
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