Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
Sie legte sich auf meine Brust, rollte sich zu einer kleinen weißen Kugel zusammen und schlief eine Ewigkeit lang. Sobald ich sie weglegte, klappten die kleinen blauen Augen auf, und sie protestierte empört. Bald war das dünne, aber schrille Miauen schon von Weitem zu hören. Erstaunlich, dass ein so winziges Geschöpf einen solchen Lärm machen konnte. Vielleicht lag es daran, dass das Geräusch in dieser Umgebung so fremdartig klang. Nichts, was ich sagen konnte, brachte es zur Ruhe. » Sschh! Still, du kleines Monster, sonst kommen sie uns auf die Spur! « Es hörte nicht auf meine Warnungen.
Der einzige andere Fehler, den die Katze hatte, bestand darin, dass sie infolge ihrer gleichförmigen Ernährung mit Thunfisch und Milch lange braune Pfützen von Katzendreck auf dem Boden hinterließ. Sie wusste, sie war die Queen des Todestrakts, und hatte keinen Zweifel daran, dass ich es als Ehre und Privileg empfand, hinter ihr sauberzumachen. Nachdem meine Dienstzeit zu Ende war und sie ihren nächsten Wohnsitz bezog, habe ich sie nie wiedergesehen.
Die Katze war nicht das einzige Tier, das im Todestrakt gehalten wurde. Am häufigsten waren Mäuse und Ratten, aber ich habe auch Spinnen gesehen, zwei Schlangen und sogar einen Vogel. Die Mäuse und Ratten wurden als Haustiere gezüchtet. Irgendeiner schaffte es, zwei wilde Exemplare zu fangen, und jedes Mal, wenn ein Wurf zur Welt kam, gab er die Babys jedem, der eins wollte. Sie wachsen mit dir auf, ohne zu beißen oder zu kratzen. Schlangen verirrten sich in den Hof und fanden sich unversehens in einer Hose wieder, in der sie in eine Zelle geschmuggelt wurden.
Die größte Ratte, die ich in meinem ganzen Leben je gesehen habe, wurde von einem Gefangenen hier aufgezogen. Sie war so groß wie ein Chihuahua, und er machte ihr sogar ein Halsband. Sie war so zahm wie jedes andere Haustier und schlief mit dem, der sie abgerichtet hatte, in einem Bett. Seine zahme Ratte war nicht das Einzige, was den Mann außergewöhnlich erscheinen ließ. Sein Spitzname war » Butterfly « , aber wenn man ihn so nannte, wurde er so wütend, dass er einen erwürgen konnte. Der Name war im ganzen Knast verbreitet und mit ihm das Gerücht, auf das er zurückging. Es hieß nämlich, dieser Gentleman habe einen Riesenschmetterling auf den Hintern tätowiert – einen Flügel auf jede Backe –, und wenn er einen bestimmten Tanz aufführte, sah es aus, als ob der Schmetterling mit den Flügeln flatterte. Eine abscheuliche Vorstellung, die aber trotzdem große Heiterkeit hervorrief. Der Einzige, der nicht darüber lachte, war Butterfly.
Der Vogel gehörte einem Mann namens Earl. Jedes Jahr, wenn es wärmer wird, bauen Vögel ihre Nester im Stacheldraht rings um den Hof und legen ihre Eier hinein. Unweigerlich fallen Vogelbabys heraus, und Earl schmuggelte eins in seine Zelle. Jeden Morgen vor Sonnenaufgang hörte man den Vogel zwitschern wie verrückt, und die Gefangenen, die davon geweckt wurden, antworteten mit einem Schwall von Flüchen.
Earl war eine interessante Type. Er war ungefähr eins siebzig groß und wog zirka 160 Pfund. Sein Haar war vorzeitig grau geworden. Earl machte niemals einen Witz und sprach nur, wenn er etwas Wichtiges zu sagen oder zu fragen hatte. Niemals wurde er laut, und er stritt sich nie. Earl saß im Todestrakt, aber er hatte niemanden ermordet; er war mit einem anderen Mann aus dem Gefängnis geflohen, der auf der Flucht jemanden erschoss. Weil Earl dabei gewesen war, hatten sie beide die Todesstrafe bekommen. Ich glaube, er war einer der wenigen hier, die intelligent genug waren, um das ganze Grauen ihrer Lage zu erfassen. Als sie den Hinrichtungstermin für ihn festsetzten, packte ihn eine heftige Übelkeit, und er konnte nichts mehr im Magen behalten, bis sie ihn töteten. Aus irgendeinem Grund verfolgt Earl mich mehr als jeder andere, den sie getötet haben – vielleicht weil ich weiß, dass er genau wie ich niemanden getötet hat.
Sie führten Earl zusammen mit dem Mann, der geschossen hatte, hinaus ins Todeshaus. Sie wurden gleichzeitig hingerichtet. Als sie hinausgeführt wurden, stand ich in meiner Zellentür, um mich zu verabschieden. Es war vier Uhr morgens. Der andere ging als Erster an mir vorbei, und er kaute ganz unbekümmert auf einem Kaugummi. Er nickte mir zu und sagte lässig: » Bis später. « Ich nickte zurück. Als Earl kam, hatte er Tränen in den Augen, und er konnte seine Stimme nur mühsam beherrschen. » Damien « , sagte er und
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