Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
mich aufpassen musstest, großer Bruder.«
»Ich habe viel zu viele Jahre als dein Vater und Bruder auf dich achtgegeben, als dass ich tatenlos zuließe, dass du dir das hier antust.«
William ließ ihn los und lehnte sich schwer an die Mauer neben Stephen. Leise sagte er: »Wir haben getan, was wir tun konnten. Du musst darüber hinwegkommen.«
Stephen wollte nicht darüber sprechen, was an dem Tag passiert war, als die Belagerung Caens ein Ende fand und die englische Armee in die Stadt eindrang. Bis er und William am Marktplatz ankamen, hatten englische Soldaten damit begonnen, die dort versammelten Frauen, Kinder und alten Männer zu massakrieren. Er und William waren durch das Gewühl geritten, hatten ihre Schwerter durch die Luft sausen lassen, gebrüllt und Soldaten weggedrängt, bis endlich der Befehl, mit dem Töten aufzuhören, gehört und befolgt wurde.
Die Bilder dieses Tages würden ihn niemals loslassen.
Als es vorbei war, ging Stephen durch das Blutbad auf dem Platz. Das Wehklagen der Frauen füllte seine Ohren, und der Geruch nach Blut erstickte ihn schier, während er über die geschändeten Körper von Kindern und alten Männern schritt. Als er nach unten schaute, lag der abgetrennte Arm eines Kindes vor seinem blutigen Stiefel. Er lehnte sich an eine Mauer und übergab sich, bis seine Knie nachgaben.
»Das ist nicht der Weg zum Ruhm, den ich erwartet habe, als ich hierherkam, um gegen die Franzosen zu kämpfen«, sagte er.
»Die Armee König Heinrichs schlachtet alte Männer, Frauen und Kinder!«, sagte William mit einer vor Zorn harten Stimme. »Ich hätte nicht geglaubt, so etwas jemals sehen zu müssen.«
»Du musst es gewusst haben. Warum sonst hast du Jamie befohlen, an jenem Tag außerhalb der Stadtmauern zu warten?« Trotz seiner anklagenden Stimme war Stephen unermesslich dankbar, dass sein Neffe nicht Zeuge des Massakers auf dem Platz geworden war.
»Der Junge ist erst fünfzehn«, widersprach William. »Es stimmt, dass ich Ärger erwartete, aber nicht dieses Gemetzel. Die Männer waren im Blutrausch, nachdem unser Ritter verbrannt worden war.«
Die Verteidiger der Stadt hatten Ballen von brennendem Stroh auf den Ritter geworfen, der verletzt im Graben vor der Stadtmauer gelegen hatte. Nicht in der Lage, ihrem Mann zu helfen, hatten die englischen Soldaten voller ohnmächtiger Wut am Lagerfeuer gesessen und seinen Schreien gelauscht.
»Und der König?«, fragte Stephen, obwohl er die Antwort kannte.
»Er glaubt, dass die Leute den Zorn Gottes selbst auf sich lenkten«, sagte William grimmig. »Sie hätten sich bloß ihm als ihrem rechtmäßigen Herrscher unterwerfen müssen, um ihrem Schicksal zu entgehen.«
»Die Frauen und Kinder hatten nichts mit der Entscheidung der Stadt zu tun, sich uns entgegenzustellen.«
»Das Massaker war gegen die Anordnung des Königs, und er wird nicht zulassen, dass so etwas noch einmal passiert.« William holte tief Luft und stieß sie wieder aus. »Die anderen Städte werden sich jetzt schnell ergeben.«
»Dann hat das Blutbad also seinen Zweck erfüllt.« Stephens Stimme klang gepresst. »Unser König, der große Stratege.«
»Du bist unvorsichtig mit deinen Äußerungen«, entgegnete William kraftlos. »Wenn die Leute hier die Vernunft benutzten, die Gott ihnen gegeben hat, dann würden sie uns willkommen heißen. Die französischen Edelleute machen das Land kaputt. Sowohl die Burgunder als auch die Armagnacs plündern den Landstrich, um sich selbst zu bereichern.«
»Es ist eine Schande, dass die französische Armee sich uns nicht stellt. Ich hatte gehofft, große Schlachten für England zu gewinnen.« Betreten stieß Stephen William den Ellenbogen in die Seite und versuchte, einen leichteren Tonfall anzuschlagen. »Wie mein berühmter Bruder.«
»Bei Gott, ich hätte nie gedacht, dass ich es vermissen könnte, gegen die Schotten zu kämpfen.« William stützte sich von der Mauer ab. »Komm, ich geh mit dir zur Burg. Du brauchst deinen Schlaf – du hast morgen früh eine Verabredung mit dem König.«
Stephen spürte, wie die Wirkung des Alkohols aus seinem Körper wich. »Hast wohl um einen Gefallen für deinen nichtsnutzigen kleinen Bruder gebeten, was?«
»Nichtsnutzig vielleicht, aber wohl kaum klein.« William schlug ihm auf den Rücken. »Und ich habe um keinen Gefallen gebeten. Gott weiß, warum, aber der König sieht in dir etwas Besonderes, seit du ein Junge warst. Er sagt, er hat einen Auftrag für dich.«
»Was für einen
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