Mein mutiges Herz
körperliche Lust und dass es nur Einbildung war, ihn zu lieben, umso deutlicher wurde ihr klar, dass es eine Lüge war.
Sie liebte Thor. Ihn zu verlieren würde ihr das Herz brechen.
Sie liebte ihn, und weil sie ihn liebte, wollte sie ihm das prachtvolle Pferd zum Geschenk machen.
Gehorsam befolgte sie Thors Warnung und vergewisserte sich sorgfältig, ob kein Fremder das Haus oder die Stallungen beobachtete, bevor sie losritt, ohne etwas Auffälliges zu bemerken. Thor wartete bereits an dem kleinen Wäldchen, und gemeinsam ritten sie zu den Ruinen.
Lindsey wappnete sich gegen ihren Gefühlsaufruhr, als er sie aus dem Sattel hob, und versuchte, ihren jagenden Herzschlag zu beruhigen. Sie wünschte sich beinahe, im gestreckten Galopp fortzureiten, weit weg von ihm, um diese machtvollen Gefühle zu vergessen, die ihr nur noch mehr Seelenqualen bereiten würden.
„Bist du bereit, ein paar Hindernisse zu nehmen?“, fragte Thor, ohne ihre stürmische Liebesnacht mit einem Wort zu erwähnen.
Lindsey war ihm dankbar dafür. Sie könnte es schaffen. Und sie konnte sich einreden, nichts habe sich zwischen ihnen geändert. Das bedeutete allerdings, dass sie Distanz wahren musste, um sich gegen ihre Empfindungen für Thor zu wappnen, die sie endlich erkannt hatte.
„Mehr als bereit.“ Sie näherte sich der Stelle, wo Saber am Ende der langen Führleine friedlich graste, und stutzte. „Du hast ihn gesattelt!“
Thor nickte. „Er war früher schon mal an den Sattel gewöhnt. Es war gar nicht schwer, ihn zu überzeugen.“
Sie lächelte heiter. „Ich nehme an, du hast ihn um Erlaubnis gefragt, und er hat zugestimmt.“
Thors Mundwinkel zogen sich ein wenig hoch. „So einfach war es nun auch wieder nicht.“
In der Hoffnung, die Verbindung zwischen ihr und dem Pferd zu festigen, näherte Lindsey sich dem Hengst. Saber riss den Kopf ruckartig hoch, als er sie in Männerhosen wahrnahm, doch der Klang ihrer Stimme beruhigte ihn. Gemeinsam wiederholten sie die Übungen wie jede Nacht, um den Hengst an sie zu gewöhnen. Lindsey saß auf und wieder ab, ritt ihn langsam im Kreis, wechselte die Gangart zu leichtem Trab und Kanter.
„Ich glaube, Saber ist bereit“, erklärte Lindsey nach etwa einer Stunde, als sie den Hengst neben Thor zügelte.
„Horace Nub sagt, Saber habe früher Rennen geritten. Das war einer der Gründe, warum Burke ihn kaufen wollte. Ich habe mit ihm an niedrigen Hecken gearbeitet, aber mit deinem Leichtgewicht wird er sie wesentlich gewandter nehmen.“
Und Lindsey ritt los, exerzierte alle Gangarten mit ihm durch, vom leichten Trab zum Kanter, erhöhte das Tempo, bis sie im gestreckten Galopp querfeldein sprengte. Ihre Begeisterung und Erregung stiegen, als sie ihn zu einem rhythmischen Kanter zügelte und ihn auf das erste Hindernis lenkte, eine niedrige Hecke auf flachem Grund zu beiden Seiten, ein leichter Sprung, um sein Selbstvertrauen zu stärken. Saber nahm das Hindernis mit Leichtigkeit, und Lindsey lächelte selig.
Sie führte ihn an eine schwierigere Aufgabe heran, eine Hecke mit einem sanften Abhang auf der anderen Seite, anschließend setzte sie mit ihm über einen breiten Wasserlauf, danach über eine niedrige Steinmauer, in einigem Abstand gefolgt von einer höheren Mauer.
Gegen Ende des Nachmittags war Lindsey in Hochstimmung. Saber war ein Naturtalent, ein Pferd, das seine ganze Aufmerksamkeit auf ein Hindernis konzentrierte und mit großem Kampfgeist alles bewältigte, was sich ihm in den Weg stellte. Sie war fest davon überzeugt, dass Saber in dem Derby alles geben würde, um zu gewinnen und damit sein Leben zu retten.
Schweiß schimmerte auf seinen Flanken, Lindseys Muskeln schmerzten, als sie sich Thor im Schritt näherten. Mit einem strahlenden Lächeln schwang sie sich aus dem Sattel, bevor er ihr helfen konnte.
„Saber ist prachtvoll – ein echter Champion, Thor. Er erfüllt alle Erwartungen, die du in ihn gesetzt hast.“
Thor nickte mit einem breiten Lächeln. „Er will dir gefallen. Für dich wird er um den Sieg kämpfen, Lindsey.“
Sie streichelte den nassen, sehnigen Hals des Pferdes. „Ich komme morgen und übermorgen wieder. Ich habe eine Geschichte von einem kranken Kind im Dorf erfunden, dessen Mutter ich kenne und die beide meine Hilfe brauchen. Ich scheine damit Erfolg zu haben.“
Thor nickte. Den ganzen Nachmittag hatte sie es geschafft, Distanz zu ihm zu wahren, was Thor offenbar spürte, denn er machte keine Anstalten, sich ihr zärtlich zu
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