Mein Name ist Eugen
wenigstens einmal Gelegenheit, mit gekreuzten Beinen vor dem Feuer sich als Winetou zu fühlen.
Aber auch mit dieser Erschwerung konnte man fertig werden, denn die Zelteingänge lagen alle gegen den Lagerplatz hin, und wenn man am Abend hinten die Zelthäringe lockerte, konnte man rückwärts aussteigen, ohne bemerkt zu werden.
Wir sassen immer noch am Strand und schwiegen. Der See war ganz lind, und von Locarno herüber hörte man die Glocken, und weiter draussen waren stille Fischer. Ab und zu warfen wir einen Stein ins Wasser und lugten den Ringen nach, und Friede kam in unser Herz, und es war uns wie vor dem Rütlischwur.
Der Wrigley stand auf und hielt eine Rede: Er habe uns Zwei zur gerechten Rache auserwählt, und der Augenblick sei gekommen, einen Schutz- und Trutzbund zu gründen gegen die Ungerechtigkeit der Welt. Wir mussten schwören, niemandem den Plan zu verraten und ihm auf jedes Wort zu gehorchen und ihm treu zu bleiben bis in den Tod.
Dann besprachen wir noch die letzten Einzelheiten, legten die Stunde der Rache auf die übernächste Nacht fest und trollten uns befriedigt lagerwärts.
So kam es denn am folgenden Abend, wie es eben kam.
Wir hatten früh Nachtruhe, und ich lag neben dem Wrigley. Wir waren ganz ruhig und gingen ein jeder mit klopfendem Herz den eigenen Gedanken nach. Wir hörten draussen das Feuer knistern. Wir hörten gedämpft die Wachen sprechen. Wir achteten, wie sich die anderen im Zelt wälzten, nachdem sie lange Zeit geflüstert hatten, bis ihre Witze immer fauler und müder wurden. Die Atemzüge wurden regelmässig, und schon begann der Bäschteli mit seinem Schnarchen.
Heute Nacht waren wir froh darum. Glücklicherweise hatte die Kur nichts genützt. Der Bäschteli ist nämlich ein kolossaler Schnarchler, so, dass sich bei ihm zu Hause die Vorhänge im Takt hin und herbewegen. Das war im Lager sehr lästig, und darum hatte ihn der Wrigley in die Kur genommen:
Des Abends legte er jeweils Zahnpasta neben sich, und zwar die meinige. Er brauche Kolynos, denn weil sie so schäumt, hält sie der Wrigley für sehr geeignet. Wenn der Bäschteli zu ziehen anfing, drückte ihm der Wrigley ungefähr fünf Zentimeter in die Nasenlöcher, und während einer halben Minute hörte man bloss noch: «Haffzgh, haffzgh», dann hustete er und schimpfte aus dem Schlaf heraus, und wenn er sich geschneuzt hatte, war er für ungefähr fünf Minuten still. Länger leider nicht, und der Wrigley sagte, er wolle es nächste Woche mit Pepsodent probieren: Die sei schärfer, und wenn das nichts nütze, mache er einen Versuch mit Pelikanol oder im Notfall mit Plüss-Stauffer-Kitt.
Soweit war es noch nicht gekommen, und in dieser Nacht kam uns Bäschtelis Schnarchlerei sehr zu nutzen.
Wir hatten am Abend die Köfferchen genau nachgezählt: Das vom Tutti war das fünfte von links. Das war wichtig, denn man musste sehr aufpassen, weil wir damals alle ungefähr die gleichen Modelle besassen: Jene Körbe mit gewölbtem Deckel und dem Eisenstab, den man durch zwei Schlaufen schob.
Kurz nach Mitternacht gab mir der Wrigley einen sanften Stoss.
Sehr, sehr vorsichtig hoben wir Tuttis Köfferchen auf. Der Wrigley nahm den Henkel zwischen die Zähne, um Hand und Beine fürs Kriechen frei zu haben.
Mit höchster Anstrengung kamen wir bis hinten ins Zelt, wo der Anton Osterwalder lag — das ist der Bruder vom anderen, und der hatte daheim in unserer Klasse den Längenrekord im Spucken inne.
Ja, was war das vor einem Jahr in dieser Klasse doch für eine ausgefallene Mode, welche der gute alte Rai-mond, unser Französischlehrer, zum Ausbruch brachte. Der hat nämlich die eigenartige Gewohnheit oder das Bedürfnis, während jeder Stunde ein- bis zweimal zum Fenster hinauszuspucken, dieser liebe Mensch.
Das war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er das Fenster öffnen konnte, ohne überhaupt hinzublicken, und das wurde ihm leider zum Verhängnis.
Ausgerechnet am Elterntag im letzten Herbst!
Ja, dieser Elterntag: Das ist jene blöde Einrichtung, wo alle Eltern in die Schule kommen, um zu sehen, wie ihre Früchtchen glänzen. Auf diese Gelegenheit hin verändern die Lehrer ihren Charakter in unangenehmster Weise: Sie werden ausnehmend freundlich, lächeln uns, wenn sie uns zur Tafel rufen, aufmunternd zu, als wären wir alte Kameraden und meinen, sie müssen uns Mut einflössen, den sie selber weit nötiger haben als wir, denn die meisten von ihnen haben während ihrer Stunde Schweiss auf Stirn und
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