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Mein Name ist Eugen

Mein Name ist Eugen

Titel: Mein Name ist Eugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Schädelin
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Nase. Überhaupt ist das ein ekelhafter Tag, weil man das Sonntagskleid am heiterhellen Werktag überstülpen muss, jenes Kleid, welches bekanntlich die Flecken aus weitem Umkreis anzieht.
    Wenn einem Lehrer etwas schief ging, so hatten wir unsere Freude dran, mit Ausnahme des Raimond, für welchen wir jedesmal zitterten und bangten, weil er in seiner Zerstreutheit Dinge tut, welche den Eltern missfallen.
    Ausgerechnet an jenem letzten Elterntag musste ihm etwas peinliches widerfahren:
    Zwei Nächte zuvor war der erste Reif gefallen, und der Abwart hatte die Vorfenster angehängt. Raimonds Stunde begann ganz normal, aber während er auf den Subjonctif zu sprechen kam, vergass er sich immer mal wieder, schritt rückwärts auf das Fenster zu, öffnete es in gewohnter Weise und spuckte hinaus, freilich nur ans Vorfenster, und wieder einmal kam es ans Licht, v/er keine Erziehung hat, die Erwachsenen oder wir. Uns tat er leid bis in die Seele hinein, als er verwirrt mit dem Nastuch die Scheibe putzte. Aber die Eltern hinten an der Wand kicherten drauflos, und jedes Kichern ging uns wie ein Stich durchs Herz.
    Seit damals fingen wir alle an zu spucken. Wer am weitesten konnte, war Sieger, und der Osterwalder hielt den absoluten Rekord: Er konnte über die ganze Nägeligasse, denn er besass eine geeignete Zahnlücke, die von jener Affäre im Lift des Kaiser & Co. stammt, doch das gehört nicht hierher.
    Auch den Höhenrekord hatte Osterwalder inne. Bei Seiferles Haus brachte er es bis zum Dachkänel hinauf, während wir trotz häufigster Versuche nur immer die Fassade trafen, bis sie ganz gesprenkelt war und der Seiferle wütend herauskam und uns anschrie, sein Haus sei doch kein Spucknapf.
    Item, über das hochgezogene Bein des Osterwalder gelangten der Wrigley und ich unter furchtbaren Mühsalen bis zur Zeltwand.
    Wir krochen drunter durch.
    Vorne beim Lagerfeuer hielt der Nöbes Wache und merkte nichts.
    Erst draussen kam mir in den Sinn, dass ich das Paket mit den Kuhfladen vergessen hatte, und ich dachte eben an die Mühsal einer nochmaligen Rückkehr, als es mir der Eduard grinsend vor die Nase hielt. Er hatte im letzten Augenblick daran gedacht und es mitlaufen lassen.
    Wenn ich mich nicht irre, weiss der Leser noch gar nicht, um was es sich handelt. Am letzten Nachmittag kam dem Wrigley plötzlich in den Sinn, dass auch in diesem Fall eine Rache ohne Zinsen fehl am Platz sei, und er kam auf die Idee, dem Tutti oben ins Köfferchen als persönliche Beigabe einige Kuhfladen zu legen.
    Hier im Tessin waren die wenigen Kuhpflütter, die sich fanden, ganz anders als im Emmental. Dort sind sie viel grobkörniger, während sie im Tessin nach der Qualität des hiesigen Grases feiner und rezenter aus-fallen.
    Wir wurden über die Matten ausgesandt und brachten eine grosse Quantität zurück, aber der Wrigley war wählerisch: Er wollte nur ganz frische, saftige Ware, die dem Köfferchen das geeignetste Aroma verliehen, und so schieden die meisten bis auf drei Prachtsexemplare aus, die wir einstweilen geruchsicher in Butterpapier einwickelten und vorderhand im Zelt verbargen.
    Wir kamen in der Dunkelheit bis zur Abfallgrube. Dort öffneten wir Tuttis Köfferchen und legten unser Angebinde oben drauf. Dann versenkten wir nach einer Minute des Schweigens den Koffer und harrten aus, bis das Gurgeln des Wassers verstummte.
    Schliesslich pflanzte der Wrigley noch den Stecken auf, den er während unserer Suche am Nachmittag vorbereitet hatte, indem er ihn mit einem Plakätchen versah, auf welchem zu lesen war:
    «Hier ruht im Frieden ein Köfferchen.
    Auf Grund gefahren am Freitag, den 3. Mai.»
    Hierauf schlichen wir wieder zum Zelt zurück, und bald schlief der Wrigley neben mir wonnig ein: Nach vollzogener Rache hatte seine Seele Ruhe gefunden.
    Lieber Leser, kannst du erraten, wie diese Geschichte zu Ende ging? — Nein, das kannst du nicht!
    Denn stell dir vor:
    Am andern Morgen war das Köfferchen des Wrigley nirgendsmehr zu finden!

DER HEILIGE FRANZ

    Darf ich eine Frage ans Gewissen stellen: Hat jemand unsere Geschichte bis hier lesen können, ohne zu weinen? Ist sie nicht tragisch? Musste sie nicht zwangsläufig dem Wrigley das Herz verbittern?

    Denn darf ich einmal bitten, nachzufühlen, was das am andern Morgen für ein Erwachen war, als es im Zelt drin mählich hell und heller wurde und er seine Augen als Erster aufschlug, nur um sie sogleich wieder zu schliessen und sich geniesserisch auszumalen, welche Mienen der

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