Mein skandaloeser Viscount

das Bett mit einer verheirateten Frau – nach all Ihrem Gerede über die Heiligkeit der Liebe?“
    „Meine Geschichte ist weit komplizierter, als Sie sich vorstellen können.“
    Sie rollte die Augen zum Himmel und hob die Hand. „Da Sie mir nun eine Erklärung gaben, kann ich das Dokument haben, das Ihnen ausgehändigt wurde?“
    „Nein. Ich bin noch nicht fertig mit meinem Geständnis.“
    Sie streckte ihm weiterhin die Hand entgegen. „Falls Sie es vergessen haben sollten …“, sagte sie kühl und teilnahmslos, „… es gilt, gewisse Regeln zu befolgen, und ich denke nicht daran, mein Erbe aufs Spiel zu setzen. Geben Sie mir das Dokument. Oder ich verlasse diesen Raum. Ich meine es ernst.“
    Zum Teufel mit dieser ganzen demütigenden Posse. Er zog das Papier aus der Tasche seines Gehrocks. Zu seinem Entsetzen rutschte dabei auch ihr Schal heraus. Das dünne Gespinst segelte sanft zwischen ihnen herab.
    Sie sah den Schal an. Dann ihn. „Auch noch ein Dieb. Interessant.“
    Er fing ihn auf und schwang ihn vor ihr hin und her. „Ehrlich gestanden, meine Liebe, hatte ich mir ein seidenes Strumpfband erhofft.“
    Sie griff nach dem Schal, legte ihn um und straffte die Schultern. „Morgen lasse ich Ihnen das Gewünschte durch einen Boten zukommen. Ich möchte keineswegs Ihr Missfallen erregen, nach allem, was Sie für mich getan haben.“
    „Sie verachten mich.“
    Sie seufzte. „Nein. Sie lassen mich völlig kalt.“
    „Das macht für mich keinen Unterschied.“ Er rückte wieder näher, hielt ihr das Dokument entgegen in der verzweifelten Hoffnung, ihre gleichgültige Haltung sei nur eine Fassade. Er flehte inständig zu Gott, sie habe nur eine Maske aus Stolz aufgesetzt, hinter der sich die bezaubernde Victoria verbarg, die er einst gekannt und geliebt hatte.
    Sie entriss ihm das Schriftstück, brach das rote Wachssiegel, entfaltete das Papier, überflog den Inhalt, bevor sie aufmerksam las, Zeile um Zeile mit großen Augen studierte. Dann versuchte sie hastig, es wieder zu falten, was ihr nicht gelang.
    Jonathan wölbte eine Hand um ihre zitternden Finger, bemühte sich zu ignorieren, wie nahe ihre Körper in diesem Moment einander waren. „Was steht darin?“
    Er hielt ihre Hand und versuchte mit der anderen, ihr das Dokument wegzunehmen. Als er daran zog, krümmte sie ihre Finger darum. „Victoria. Es ist wichtig, dass wir uns an die Regeln halten. Was steht darin?“
    Sie kniff die Augen zusammen und überließ ihm das Papier. „Wenn Sie es gelesen haben, verbrennen Sie es.“
    Verbrennen? Er glättete das Schriftstück und begann zu lesen:
    Meine liebe Victoria,
    mir ist bewusst, dass diese Zeilen viele Jahre zu spät kommen, und ich nicht genügend Verständnis gezeigt habe in einer Zeit, in der du mich dringend gebraucht hättest. Aber ich bitte dich, die Vergangenheit ruhen zu lassen, den Blick in die Zukunft zu richten und ebenso glücklich zu werden, wie ich einst mit deiner Mutter war. Nichts hoffe ich mehr, als dass du einen liebevollen Mann haben wirst, der für dich sorgt und dich beschützt, wenn ich einmal nicht mehr bin, und Grayson versicherte mir, Lord Remington kann dir das und weit mehr bieten.
    In ewiger Liebe, dein Papa
    Keine Frage. Keine einzige. Nur ein schlichter, von Herzen kommender Wunsch für ihr Lebensglück, zusammen mit der Überzeugung, dass er Victoria dieses Glück und noch mehr bieten konnte. Jonathan schluckte schwer, sein Herz schlug wie ein Hammer, hallte in seinem Kopf wider. Es war ohne Belang, ob Victoria den Wunsch hatte, das Papier den Flammen zu übergeben.
    Er sank in die Kissen zurück, mahnte sich zur Ruhe, obgleich es ihn in den Fingern juckte, Victoria an den Schultern zu packen und zu schütteln, und sie anzuflehen, ihm eine Chance zur Wiedergutmachung zu gewähren.
    Er deutete auf das Schriftstück. „Soll ich es wirklich verbrennen?“
    Sie starrte in die Flammen. „Ja. Es ist mir egal.“
    Jonathan nickte und zerknüllte das Dokument. Es waren nur Worte auf einem Stück Papier. Wenn er es verbrannte, bedeutete das nicht das Ende zwischen ihnen. Allerdings hatte er das unheimliche Gefühl, im Begriff zu sein, damit alles zu vernichten, was je zwischen ihnen gewesen war.
    Er erhob sich abrupt, warf das Papier mit einer Drehung des Handgelenks in die Glut und sah zu, wie sich die Ränder schwärzten, das rote Wachssiegel Blasen warf, zischend in die Glut tropfte und mit dem Schreiben in Rauch aufging.
    Jonathan wandte sich an Victoria, die